Lippische Landes-Zeitung ,
06.10.2004 :
Spurensuche mit Vittore Bocchetta / Geschwister-Scholl-Schule startet Projekt
Detmold. In diesem Schuljahr startet die Geschwister-Scholl-Gesamtschule ein Projekt zur Spurensuche in der europäischen Geschichte (1943 bis 1945). Sie arbeitet zusammen mit Gymnasien aus Bozen/Italien und Dornbirn/Österreich. Der Zeitzeuge Vittore Bocchetta war jetzt in der Geschwister-Scholl-Gesamtschule zu Gast, Historikerin Ingrid Schäfer hatte den Kontakt hergestellt.
Vittore Bocchetta, 1918 geboren, berichtete den Schülern des 13. Jahrgangs von seinem bewegten Leben. Er geriet als junger freiheitsliebender Student in Verona in Gegensatz zum faschistischen Regime Mussolinis. Bocchetta: "Ein einfaches Erlebnis machte mich zum Antifaschisten. Bei den 20-Uhr-Nachrichten im Radio bin ich in einer Gaststätte nicht aufgestanden und deswegen von zwei angetrunkenen Männern in italienischer Uniform geohrfeigt worden. Es entwickelte sich ein riesiger Tumult. Das war der erste Schritt zum Antifaschisten." So kam er zum Widerstand gegen Mussolini und später gegen die deutsche Wehrmacht, die im September 1943 Italien besetzte.
Bocchettas Weg in die Deportation begann. Über Bozen wurden er und seine Mitkämpfer 1944 nach Deutschland in das KZ Flossenbürg und das Außenlager Hersbruck (Bayern) eingeliefert. Anschaulich berichtete der Italiener über die Sklavenarbeit in der Rüstungsproduktion und seine Flucht im April 1945. Ausführlich schreibt er über diesen Lebensabschnitt in seinem Buch "Jene fünf verdammten Jahre", das 2003 in deutscher Sprache erschien.
Dank der Übersetzung durch Andreas Mickel von der Deutsch-Italienischen Gesellschaft gab es keine Sprachprobleme bei der Veranstaltung. Bocchetta ist noch einige Tage Gast bei Sigrid und Karl-Heinz Schäfer. Nach Auskunft von Karl Schaper, dem Oberstufenleiter, wird das Schicksal der so genannten "Militärinternierten" nächstes Thema sein. Sie waren italienische Soldaten, die 1943 nach dem Sturz Mussolinis zu Kriegsgefangenen besonderer Art wurden und in Ostwestfalen arbeiteten. Das Projekt wird von der Europäischen Union durchs Comenius-Programm unterstützt.
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