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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt , 07.09.2012 :

Familie kommt zur Einweihung / Seidenweberei der Gebrüder Wertheimer: Gedenktafel erinnert bald wieder an das Schicksal

Von Stefanie Hennigs (Text und Foto)

Jöllenbeck (WB). Ihr Vater Paul Wertheimer musste vor 76 Jahren das Familienunternehmen verkaufen, gezwungen von den Nationalsozialisten. Bei Erika Lauber ist trotzdem nichts von Verbitterung zu spüren. An das Schicksal der Familie erinnert bald wieder eine Gedenktafel.

Erika Lauber (97) wird nicht dabei sein, wenn die Gedenktafel am früheren Standort der Seidenweberei der Gebrüder Wertheimer an der Jöllenbecker Straße / Ecke Husemanns Kamp enthüllt wird. Aber ihre Tochter Sonia Lauber Sampson, deren Mann David und ihre drei Kinder werden am 15. September erwartet. Dann wird auf Einladung des Heimatvereins Jöllenbeck und der Bezirksvertretung die Einweihung der Gedenktafel gefeiert.

Reinhard Heinrich hat die 97-jährige Dame kürzlich in London besucht. "Sie war nicht in einem Minimum verbittert oder hat Vorwürfe geäußert", zeigt sich der Jöllenbecker Lokalpolitiker von der Haltung Erika Laubers beeindruckt, die als junge Frau die damalige Auguste-Viktoria-Schule besuchte.

Die Gedenktafel informiert über die Geschichte der Firma: Die Familie Wertheimer hatte seit 1858 eine Samt- und Seidenweberei geführt. 1882 wurde die "Seidenweberei Gebrüder Wertheimer" gegründet, 1889 die Betriebsstätte an der Jöllenbecker Straße errichtet. Die jüdische Familie musste auf Druck der Nationalsozialisten 1936 ihr Unternehmen verkaufen, wobei sie um einen Großteil des Verkaufserlöses betrogen wurden. Paul Wertheimer wanderte nach England aus, sein Bruder Eduard nahm sich 1942 vor der angekündigten Deportation ins Konzentrationslager Theresienstadt das Leben.

An dieses dunkle Kapitel in der Geschichte erinnert die Gedenktafel ebenso wie an die spätere Nutzung des Gebäudes als "Ravensberger Seidenweberei GmbH" und, nach der Aufgabe der Weberei, durch das Unternehmen Alcina bis 1993. Als das Gebäude 2008 endgültig abgerissen wurde, wurde auch die damalige Gedenktafel eingelagert. Jetzt, direkt vor dem gerade entstehenden Jibi-Markt, soll sie wieder einen festen Platz haben.

Zur Einweihung sprechen Bezirksbürgermeister Mike Bartels, Heimatvereinsvorsitzender Hans-Heinrich Klußmann, Stadtarchiv-Leiter Dr. Jochen Rath und Wertheimer-Urenkelin Sonia Lauber Sampson. Während sie aus Portugal anreist, kommen ihre drei Kinder aus London. Eingeladen ist auch der Jöllenbecker Wilhelm Rabe, berichtet Bezirksamtsleiter Gerhard Holtmann. Der 98-Jährige habe als Lehrling in der Seidenweberei gearbeitet.

"Wir wollen erinnern, informieren und gedenken", fasst Hans-Heinrich Klußmann den Zweck der Gedenktafel zusammen. Den Text haben Heimatverein und Politik in Zusammenarbeit mit Dr. Jochen Rath abgestimmt. Auch Friedhelm Wittenberg und Heinz Gößling hätten ihren Teil dazu beigetragen, dass die Erinnerung an die Familie wach gehalten wird.

Die öffentliche Feierstunde, in der die Tafel enthüllt wird, beginnt am Samstag, 15. September, um 11 Uhr auf dem Grundstück des neuen Jibi-Marktes. Musikalisch umrahmt werden die Reden von Bläsern und Sängern der Realschule, die Hauptschüler tragen ein Gedicht vor.

Bildunterschrift: Am 15. September wird die Gedenktafel am Standort der früheren Seidenweberei offiziell enthüllt. Gestern zeigten sie bereits (von links) Hans-Heinrich Klußmann, Gerhard Holtmann, Hans Klöne, Mike Bartels und Reinhard Heinrich.


bielefeld@westfalen-blatt.de

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