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Schaumburger Zeitung , 25.09.2004 :

Todesahnung, Todessehnsucht: Vor 90 Jahren fiel Löns an der Marne / Mythos des Dichters lebt bis heute fort / Redakteurs-Arbeit in Bückeburg

Bückeburg (gp). Vor 90 Jahren, am 26. September 1914, kam Hermann Löns im Kugelhagel des Ersten Weltkrieges ums Leben. Sein Mythos aber lebt bis in unsere Tage hinein fort. Besonders lebendig ist die Erinnerung in Bückeburg. Hier war Löns von 1907 bis zu seinem Rauswurf im Jahre 1909 als Redakteur unserer Landes-Zeitung beschäftigt. Im Arbeitszimmer seines Hauses an der heutigen "Hermann-Löns-Straße" entstand eine Reihe der bekanntesten Werke, darunter der Roman "Wehrwolf". Beim Wegzug aus der Residenz schrieb Löns eine bissige Satire. In "Duodez" zog er mit viel Witz und Ironie die einstige Wirkungsstätte durch den Kakao.

Bis weit in unsere Zeit hinein war das literarische Andenken an Löns durch die Festlegung als "Heidedichter" geprägt. Verantwortlich dafür waren die NS-Ideologen. Sie missbrauchten den Erzähler heimatkundlicher Geschichten für ihre Blut-und-Boden-Philosophie. Höhepunkt war die theatralisch inszenierte Umbettung seiner sterblichen Überresten in die Lüneburger Heide. Nach einem grotesken Hin und Her wurden – wie man heute weiß – im Jahre 1935 "falsche" Gebeine im Lönshain bei Fallingbostel beigesetzt.

Heute sehen Löns-Kenner dessen Leben und Lebensleistung in anderem Licht. Nach wie vor große Anerkennung findet die literarischen Qualität seiner realistisch-impressionistischen Tier- und Landschaftsschilderungen. Gestiegen ist das Ansehen als Naturschützer und Wissenschaftler. Und neu betrachtet und bewertet wird Löns zwiespältige, von Selbstzweifeln geprägte Persönlichkeit. Hinter Alkoholsucht und Schürzenjägerei kommt ein innerlich zerrissener und zutiefsthilfsbedürftiger Mensch zum Vorschein.

Geboren wurde Löns war am 29. August 1866 als Sohn eines Gymnasiallehrers in Kulm (ehemals Westpreußen). Die Familie hatte vierzehn Kinder. Die Ehe der Eltern war alles andere als glücklich. Nach dem Abitur begann Löns auf Verlangen des Vaters ein Medizinstudium, war jedoch von Anfang an mehr auf dem Paukboden der schlagenden Verbindung "Cimbria" und in Kneipen als im Hörsaal zu finden. Er brach das Studium ab und verdingte sich als (Aushilfs-) Journalist. In den meisten Redaktionen wurde er bald wieder vor die Tür gesetzt. Bevor Löns nach Bückeburg kam, hatte er sich eine Zeit lang beim "Hannoverschen Tageblatt" betätigt. Er war in zweiter Ehe verheiratet. Seine Frau Lisa und er hatten einen behinderten Sohn.

Zu Beginn seiner Arbeit bei der Landes-Zeitung legte sich Löns tüchtig ins Zeug. Lesenswert sind bis heute seine Naturschilderungen aus der Umgebung. Amüsant auch seine Plaudereien in der von ihm neu aufgemachten Rubrik "Buntes Feuilleton". Mit der Zeit jedoch erlahmte sein Elan. Gerüchte über Trinkgelage, Unpünktlichkeit und Frauengeschichten machten die Runde. Für Gesprächsstoff sorgte die Affäre des damals 41-Jährigen mit seinem 18-jährigen Kindermädchen.

Das mächtige fürstliche Konsortium, das über Moral und Pressefreiheit wachte, mochte dem lockeren Lebenswandel des Zeitungsschreibers nicht länger zusehen. 1909 wurde Löns gefeuert. Es folgten wechselvolle, von Höhen und Tiefen geprägte Jahre. Der Erfolg als Schriftsteller blieb bescheiden. Der Durchbruch kam erst nach dem Tod. Heute gehört Löns mit 10 Millionen verkaufter Bücher zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren.

Beigetragen zur Popularität hat sein rätselhaftes, von Todesahnung und -sehnsucht begleitetes Sterben. Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, Löns habe sich den Kugeln bei einem Stoßtruppunternehmen während der Marne-Schlacht gezielt ausgesetzt. Der mittlerweile 48-Jährige hatte sich sofort nach Kriegsbeginn als Freiwilliger gemeldet. Den Vorschlag, als Kriegsberichterstatter zu arbeiten, lehnte er ab. "Schlafen, schlafen und nie wieder aufwachen", hatte er bereits 1911 an seinen Verleger geschrieben. Und wenige Wochen vor seinem Tode notierte er den Satz: "Mensch, das Leben ist so schön jetzt, dass es sich lohnt, zu sterben."

25./26.09.2004
sz@schaumburger-zeitung.de

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