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Lippe aktuell , 25.09.2004 :

General a. D. Dr. Klaus Reinhard: Lösungskonzepte für internationale Krisenherde fehlen / "Die Amerikaner waren im Irak überfordert"

Lemgo/Kreis Lippe (mv). Erneut einen absolut hochkarätigen Redner zu verpflichten - das war dem Liberalen Netzwerk Lippe bei seiner jüngsten Vortragsveranstaltung am vergangenen Montag in Lemgo im repräsentativen Lichtforum der Firma Zumtobel Staff gelungen. Vor knapp 200 Zuhörern aus dem gesamten Lipperland sprach General a. D. Dr. Klaus Reinhardt, seines Zeichens ehemaliger Befehlshaber der alliierten Landstreitkräfte Europa-Mitte, zum Thema "Friedenserhaltende Maßnahmen im Irak, in Afghanistan und im Kosovo - Wo bleibt der Erfolg?".

Am Schluss des packenden und engagiert vorgetragenen Stoffes drückte Stephan Prinz zur Lippe vom Liberalen Netzwerk wohl treffend aus, was sicherlich viele der Anwesenden genauso empfanden: "Mir sind heute Abend durch Ihren Vortrag Aspekte des Themas in erschreckender Art und Weise deutlich geworden, wie das vorher niemals der Fall war. Ich bin betroffen durch den Inhalt und beeindruckt durch Ihre Offenheit und Klarheit gleichermaßen." Gemeint war damit vor allem das unerwartet schlechte Zeugnis, das der Vier-Sterne-General der Politik ausstellte. Bei den weltweiten Peace-Keeping-Aktionen des Militärs werden laut Dr. Reinhardt die Soldaten oft ziemlich alleingelassen mit dem immens zu Bewältigenden: Das Militär werde hingeschickt in den jeweiligen Krisenherd; es erfülle seine Aufgabe, beende die Gewalt, sorge für Ruhe und Ordnung. Und genau an dieser Stelle müssten dann eigentlich die vorbereiteten, durchdachten und umfassenden politischen Konzepte greifen - aber sehr bedauerlicherweise seien diese Konzepte der Politik im Grunde nicht vorhanden! Das gelte in extremer Weise für den Irak ("brillanter operativer Sieg der Amerikaner, die für die Zeit danach aber über keinerlei Konzept verfügten"), aber auch für Afghanistan und den Kosovo.

Der so schillernde Begriff des "Peace-Keeping" muss nach den Worten des Generals dringend weitreichender als bisher interpretiert werden: "Peace-Keeping bedeutet nicht in erster Linie Hightech-Waffen, sondern Vertrauen! Die betroffene Bevölkerung muss uns glauben und vertrauen, dass wir ihr wieder die Rückkehr in ein normales Leben ermöglichen wollen." Und "normales Leben", das heiße zunächst die Chance auf Arbeit, damit Einkommen, damit Auskommen für die Familie. Die hohe Arbeitslosigkeit in den Krisengebieten sei das Schlüsselproblem für ein dauerhaft erfolgreiches und umfassendes Peace-Keeping. Im Irak habe nach dem militärischen Sieg mehrere Wochen lang die blanke Anarchie geherrscht: "Die Amerikaner haben zugeschaut und waren überfordert. 11.000 Menschen wurden einfach so erstmal eingesperrt; dann kam der schlimme Folterskandal hinzu." Für eine nachhaltige Befriedung des Landes sind laut Dr. Reinhardt die innere Sicherheit und der zügige Wiederaufbau entscheidend: "Für den Wiederaufbau werden 70 Milliarden Dollar benötigt; die Finanzierung ist bislang weitgehend ungeklärt." Der General plädierte für eine starke Rolle von UN0 und irakischer Regierung.

Für den Kosovo erwartet Dr. Reinhardt, der 1999 das Kommando über die dortigen internationalen Friedenstruppen übernahm, demnächst eine internationale Konferenz - nach den diesjährigen März-Unruhen. Als seine größte Leistung im Kosovo sieht der General die gelungene Demilitarisierung der Privatarmee UCK und ihre Überführung in eine Art TWH unter Aufsicht der UNO an ("einmalig in der Geschichte"). Und noch etwas möchte der in keiner Weise unter mangelndem Selbstbewußtsein leidende Ex-Militär erwähnt wissen: "Im Kosovo hatte ich auch ein englisches Kontingent unter meinem Kommando - als erster deutscher General seit Blücher!"


la.redaktion@lippe-aktuell.de

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