Schaumburger Zeitung ,
24.09.2004 :
Ein Oberst lichtet den Nebel um Nordkoreas Atomprogramm / Verteidigungsattaché bei der GfW / Dongmyung Kim zur Lage auf der Halbinsel
Bückeburg. Rauch und Nebel, das waren die Folgen einer gewaltigen Explosion im Bergland von Nordkorea. Oberst Dr. Dongmyung Kim, Verteidigungsattaché an der Botschaft der Republik Korea in Berlin, wollte und konnte wohl auch nicht die wahre Ursache für diese Detonation nennen. Vor 130 Zuhörern im Vortragssaal der Heeresfliegerwaffenschule trug er auf Einladung der Sektion Minden der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik zur Lage auf der koreanischen Halbinsel vor. Dabei konnte er "Rauch und Nebel", die die Pläne Nordkoreas bedecken, zumindest etwas lichten.
Auch mehr als 50 Jahre nach der Gründung der "Republik Korea" im Süden und der "Demokratischen Volksrepublik Korea" im Norden sind die Spannungen zwischen beiden Staaten nicht überwunden. Die Hoffnung, mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation könnte eine friedliche Wiedervereinigung nach dem deutschen Modell erfolgen, erfüllte sich nicht.
Seit der Teilung der Halbinsel im Anschluss an die Befreiung von der Kolonialherrschaft 1945 entwickelten sich Nord- und Südkorea unter völlig verschiedenen Ideologien und Wirtschaftssystemen. Infolge der Nachkriegsrivalität der Großmächte geriet Korea in den Sog des Ost-West-Konflikts. Mit der Ausrufung beider koreanischer Staaten zu Republiken 1948 und dem dreijährigen "Bruderkrieg" wurde die Spaltung zementiert. Beide Seiten begegnen sich mit großem Misstrauen. Sieht Südkorea in den US-Streitkräften Schutz, flüchtet sich Nordkorea, das mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion den starken Verbündeten verloren hat, in ein Rüstungsprogramm, das neben der Produktion von biologischen und chemischen Kampfstoffen auch mit der Herstellung von Nuklearwaffen experimentiert. Wie der koreanische Oberst, der in der Rüstungskontrollbehörde seines Landes tätig war, betonte, hat Nordkorea das technologische know-how, Atomsprengköpfe herzustellen, möglicherweise besitzt es sie schon. Eine solche Hochrüstung verschlingt jedoch enorme Finanzmittel, die der Wirtschaft und Bevölkerung fehlen. Erst 1994 kam es zum Verzicht Nordkoreas auf die Weiterentwicklung der Nuklearwaffen, im Gegenzug zu energiewirtschaftlicher Hilfe durch die USA. Beide Seiten zweifelten schnell an der Vertragstreue des anderen, so dass der Vertrag nicht vollends umgesetzt wurde. Der Versuch Südkoreas, durch die "Sonnenscheinpolitik" mit vielen kleinen Schritten innerkoreanische Entspannungspolitik zu betreiben, verlor an Vehemenz. Spätestens seit der Amtsübernahme von Präsident Bush verschärften sich die Spannungen. Ende Januar 2002 bezeichnete Präsident Bush Nordkorea als Mitglied der "Achse des Bösen", dessen Streben nach Massenvernichtungswaffen die USA entgegenwirken müsse, auch mit Präventivschlägen. Das wiederum schürte Angst in Nordkorea und führte zu dem nordkoreanischen Eingeständnis, ein geheimes Urananreicherungsprogramm zu verfolgen. Um eine weitere Eskalation vor dem Hintergrund der Irak-Krieges zu verhindern, traf man sich zu den Sechser-Gesprächen mit dem Ziel, die Sicherheitsinteressen Nordkoreas anzuerkennen unter gleichzeitigem Verzicht auf das Atomwaffenprogramm und die Weiterverbreitung von Nukleartechnologie an Staaten in Mittelasien. Diesen Gordischen Knoten zu zerschlagen, führe jedoch nicht nur zum Ende des Regimes in Nordkorea, sondern auch zu einem unkalkulierbaren Schlagabtausch, der das Gleichgewicht in Mittelasien und im Pazifik nachhaltig stören könnte. So ist man sich einig, dass nur mit kleinen Schritten unter internationaler Kontrolle eine Annäherung erfolgen kann, Rauch und Nebel sich langfristig verflüchtigen werden.
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