www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 22.09.2004 :

Ex-General: Das Militär kann nicht alles / Klaus Reinhardt vermisst Gesamtkonzepte für Krisenherde

Lemgo (te). Kritik an der Politik in Deutschland, USA und der Europäischen Union hat in Lemgo der ehemalige Vier-Sterne-General der Bundeswehr, Dr. Klaus Reinhardt, geübt. Es gebe keine Gesamtkonzepte, um die Krisenherde Kosovo, Irak und Afghanistan in eine friedliche Zukunft zu führen. Allein Militär zu schicken, reiche nicht aus. Das Militär werde von der Politik vielmehr als Alibi missbraucht.

Reinhardt, ehemals Befehlshaber der alliierten Landstreitkräfte Europa-Mitte, sprach auf Einladung des Liberalen Netzwerkes Lippe vor 180 Gästen im Lichtforum der Lemgoer Firma Zumtobel Staff. 1999 führte er die Truppen im Kosovo, seit 2001 ist er außer Dienst und wirkt als Publizist und Dozent.

Reinhardts These: Militär allein kann zwar den Krieg, aber nicht den Frieden gewinnen. Sicherheit könne nur die Grundlage sein, um stabile politische und ökonomische Verhältnisse zu schaffen. "Für den Wiederaufbau brauchen sie Fachleute, die sie beim Militär nicht haben."

Der Politik warf er vor, sich darüber keine Gedanken zu machen. Die Soldaten der Bundeswehr, die in friedenserhaltenden Einsätzen tätig seien, leisteten einen sehr guten Job, aber könnten nicht alles tun. "Es reicht nicht hinzugehen, um dort zu sein, sondern um das zu tun, was die Bevölkerung braucht. Sonst werden sie zur Besatzungsmacht", sagte Reinhardt.

So hätten die Amerikaner keine Strategie für die Zeit nach dem Sieg über Saddam im Irak gehabt. Reinhardt sieht als einzige Möglichkeit die Bildung einer irakischen Regierung, die gemeinsam mit den UN den Wiederaufbau in die Hand nehme. In Afghanistan seien zwar die politischen Rahmenbedingungen geschaffen worden, aber ohne Arbeitsplätze und Alternativen zum Mohnanbau treibe man die Bevölkerung weiter in die Abhängigkeit von Warlords und Rauschgifthandel.

Die Europäische Union forderte der Ex-Militär auf, über den politischen Status des Kosovo zu entscheiden und die Besitzverhältnisse der Wirtschaft zu klären, um Perspektiven zu schaffen. Nur so könne verhindert werden, dass junge Leute wieder frustriert und gewaltbereit auf die Straße gingen. Stephan Prinz zur Lippe, dessen Kontakte Reinhardts Vortrag ermöglicht hatten, zeigte sich betroffen. Er habe sehr viel Neues gelernt, sagte er.


detmold@lz-oniline.de

zurück