www.hiergeblieben.de

Gruppe KRuG , 18.09.2004 :

fight "German Liedgut"

Wir sind in diesem langweiligen Kurort, weil wir gegen die ansässige Nazi-Szene und ihre Umtriebe demonstrieren. Dazu gehören die gut besuchten, mehr oder weniger konspirativ durchgeführten Konzerte. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um auf eine nationalistische Entwicklung in der Musik hinzuweisen, die diese Nazis wahrscheinlich nur in ihren schwachen Momenten hören., welche ansonsten aber ziemlich populär ist.

Was würden diese Nazis nun machen, wenn sie nach der Arbeit zum Abendbrot etwas Fernsehen gucken und dabei, beim zappen, an Bildern von bombardierten, deutschen Städten hängen bleiben?

Dazu singt eine eindringliche Stimme: "Wir sind wir! Wir stehen hier! Aufgeteilt, besiegt und doch, schließlich leben wir ja noch."

Das gefällt dem Nazi. Oder zumindest wird er neugierig – "besiegt", klingt ja ganz vielversprechend. Er sieht schwer arbeitende, aber doch fröhliche Trümmerfrauen und dann hört er wieder diese Stimme: Doch blieben viele Fenster leer, Für viele gab es keine Wiederkehr, Und über das was grad noch war, Spricht man heute lieber gar nicht mehr".

Das mit den leeren Fenstern und der "keine Wiederkehr" gefällt dem Nazi, - vielleicht sogar so sehr, dass er etwas traurig wird.

Da hätte es gar nicht den einbeinigen Landser gebraucht, der durch die Ruinen am Interpreten vorbei zu seinen kaputten Fenstern humpelt.

Der Interpret ist übrigens der "Wann kommt die Flut"-Heppner und das Lied läuft öfters auf Viva und im Radio. Zur Musik von Paul van Dyk zeigt Heppner recht deutlich, dass er mit den leeren Fenstern in deutschen Städten nicht die Juden meint, die getötet wurden, sondern denen ein musikalisches Denkmal setzen will, die losgezogen sind, um einen Kontinent zu unterjochen, große Teile der Bevölkerung zu vernichten oder sie als Zwangsarbeiterinnen zu internieren und dabei viel zu spät aufgehalten wurden.

Dinge, die der Nazi gerne nochmals machen würde, aber die Zeit scheint noch nicht reif zu sein. Auf jeden Fall erkennt er Heppners aufrichtiges Mitgefühl für Wehrmachtssoldaten, im speziellen und für "uns" also "die Deutschen" im allgemeinen an. Die Videoaufnahmen beginnen mit einer Sicht auf den Reichstag, in Großaufnahme wird die Schrift gezeigt "dem deutschen Volk".

Wenn es dann in dem Lied heißt "aus Asche haben wir Gold gemacht", meint Heppner vielleicht den fleißigen Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder, das auf die schaffende kollektive Tatkraft zurückgeführt wird. Das er damit auch in einer zynischen Weise eine der tatsächliche Ursache des wirtschaftlichen Aufschwungs auf den Punkt bringt, ist ihm bei seiner deutschtummelnden Vergangenheitsbewältigung wahrscheinlich nur am Rande aufgefallen. (1)

Spätestens wenn Heppner dann singt: "Wir sind wir! Wir stehen hier! So schnell kriegt man uns nicht klein" wird der Nazi vielleicht aufspringen, seine Gabel mit dem Stück Bockwurst fallen lassen, mit der Faust auf den Tisch hauen, laut "Jawohl" brüllen und dabei einen roten Kopf bekommen.

Aber wer will "uns" da eigentlich "klein kriegen"? Das "raffgierige Weltjudentum", das sich die ganzen essen Geschichten ausgedacht hat, wird sich der Nazi vielleicht denken. Die weltoffene Viva-Guckerin von nebenan wird vielleicht an Mia denken und an die, die immer noch mit der deutschen Vergangenheit rumnerven ("die Ewiggestrigen") oder an Bush, der unser schönes Land erobern will. Möchte mensch den Bestsellerlisten des deutschen Buchhandels glauben schenken, werden vielen Leuten auch Wörter wie "Keule" oder "Holocaust-Industrie" in den Sinn kommen. Heppner selber könnte im Kontext seines Liedes und des Clips auch die Alliierten meinen, die so frech waren "uns" "klein zu kriegen" obwohl "wir" doch eigentlich die große "Herrenrasse" sind.

So klein haben sie "uns" jedoch scheinbar nicht gekriegt. Schließlich kann Heppner ein paar Zeilen vorher "das kann's noch nicht gewesen sein" singen, ohne dass es irgendwen stört.

Der Clip endet übrigens im schwarzrotgoldenen Fahnenmeer und der Wiedervereinigung. Textlich droht Heppner noch etwas bevor er aufhört:

"Wir sind wir! Das ist doch nur ein schlechter Lauf. So schnell geben wir doch jetzt nicht auf."

Für eine Einschätzung dieses unappetitlichen Machwerks sind die Motive der Macher nur eine Seite der Medaille. Geht es ihnen den Interviews zu Folge um einen Soundtrack zum "Wunder von Bern" und um ein Lied, dass das "Lebensgefühl 1954" wiedergibt, sagt "Wir sind wir!" auch eine Menge über Deutschland und das dazugehörige "Lebensgefühl 2004" aus.

Zusammen mit dem Onkel-Hitler-Film und der Flick-Ausstellung ist "Wir sind wir" ein momentanes Beispiel für nationalistische Vergangenheitsentsorgung auf kultureller Ebene. Realpolitisch hat sich Deutschland in den Kreis der Siegermächte eingereiht und bastelt aus "Verantwortung für die Geschichte" an einer schnellen Auslandseingreiftruppe. (2)

Der aus Arisierungsgewinnen und Zwangsarbeit mitfinanzierte Kunstschatz des NS-Spitzenunternehmers Flick wird diesen Monat in Berlin ausgestellt. Fragt sich was nächsten Monat neue "Denkverbote" aufbrechen wird ...

Die eher "Underground"-Band Mia brachte vor einem Jahr ihre Liebeserklärung an Deutschland als Lied raus ("Was es ist") und startete die Kampagne "Angefangen", in der namhafte Künstlerinnen wie "DJ Deutschland" ebenfalls einen positiven Bezug auf die deutsche Nation abfeiern. Das die naiv-dreiste Deutschtümelei im Schatten der nationalen Friedensbewegung bald schon an Geschmacklosigkeit übertroffen wurde, haben wir geahnt. Aber das es so schnell passiert und auf einmal z. B. jedes deutsche Lifestyle-Magazin begeistert schreibt das SchwarzRotGold richtig "in" ist, hätten auch Pessimistinnen nicht erwartet.

"Neue Deutsche Antiamerikanische Härte"

Spätestens seit dem Irak-Krieg und dem Erfolg von M. Moore scheint sich im Musikgeschäft rumgesprochen zu haben, dass "antiamericanism sells".

Zahlreiche US-Bands erkennen das personifizierte Böse in Bush + "seinem Clan" und bedienen mit platten Sprüchen die nach rebellischem Konsum sehnende Masse der reichen Kids auf der ganzen Welt.

Es war zu erwarten, dass auch deutsche Künstlerinnen sich genötigt fühlen ihren Senf dazu zugeben. Rammstein landete kürzlich einen Hit mit "Amerika". Die "Neuen Deutschen Harten" fühlen sich nicht mehr heimisch im eigenen Land und beklagen sich: "We are all living in America". Why? Because off: "Coca-Cola, Wonderbra" und "vor Paris steht Micky Maus". Okay.

Rammstein hat kein Bock mehr sich von der "Musik" "aus dem Weißen Haus" "kontrollieren" zu lassen. Das hört bestimmt auch der Herr Bundeskanzler gerne und sein Bundestagspräsident warnt vor "amerikanischem Kulturimperialismus". Die "deutsche Kulturnation" soll geschützt werden. Rammstein will aber mehr. Im Clip sieht mensch z. B. buddistische Mönche, die bei Mc Donalds essen. Rammstein weiß aber, dass buddistische Mönche von Natur aus Reis oder so etwas zu essen haben und nicht diesen imperialistischen Fraß.

Da wo Heppner in guter (historischer) deutscher Tradition den paranoiden, völkischen Bedrohungswahn in der Aussage "Wir lassen uns nicht unterkriegen!" gipfeln lässt, will Rammstein deutlich machen: "This not a love sorg". Wer es nicht glaubt - das Lied ist wie gesagt ein Chart-Hit und läuft auf Viva und MTV.

Rammstein hatte nie den Ruf eine linke Band zu sein. Ganz im Gegenteil. Anders verhält es sich da mit Mellow Mark, einem "Hip-Hopp Hippie", der "linken" Reggae Hip Hop macht. Er gibt seinen Alben so klangvolle Namen wie "Revolution" und tritt Anfang Oktober im JZ Kamp in Bielefeld auf. In einem seiner Lieder fängt fast jede Zeile mit US an und geht mit stumpfen Antiamerikanismus weiter ("US-amerikanische Dekadenz", "US-amerikanisches Erbgen", und auch die US-Illuminaten dürfen nicht fehlen).

Die anderen Songs sind nicht besser, erklären zumindest aber nicht die ganze Welt aus Mellow Marks Sicht. Dafür erfährt mensch einiges von seinem patriarchalen Mutterschafts-Kult und seinem Männlichkeits-Bild.

Eigentlich ist Mellow Mark eine typische und uninteressante, höchstens ärgerliche Erscheinung auf dem Musik-Markt. Das, was an ihm aber sehr deutlich gesehen werden kann, ist die Besetzung des Begriffs "Links" durch unreflektierte, reaktionäre, konformistische Rebellion.

Nolte’s little punker-helpers

Die Nachfolgeband der legendären Slime, Ruberslime, ist an sich schon ne Enttäuschung. Das die Band, die wegen Regen nicht auf dem U & D Vlotho spielen konnte, aus dem Lied "Polizei SA SS" im Jahre 2003 "USA SA SS" macht, outet sie als eklige, geschichtsblinde Antiamerikaner. In Interviews geben sie sich redlich Mühe diesen Eindruck zu unterstreichen. Natürlich fanden wir in jungen Jahren "Yankees Raus" auch ganz toll. Aber wer nicht begreift, dass wir heute und nicht vor zwanzig Jahren leben und sich die Situation etwas geändert hat, wird auch nicht begreifen, warum das Lied auch Nazis "geil" finden, ohne den wörtlichen Text groß missverstehen zu müssen. Die Schelte für den Ku-Klux-Klan überhört unser Nazi bestimmt gerne oder er benutzt sie genauso wie den Massenmord an den Indianern um die Judenvernichtung zu relativieren.

Das Antiamerikanismus die neue Herrschaftsideologie in Deutschland ist, hat den Totalitarismus-Theoretikern von Ruberslime niemand erzählt.

Wer sollte das auch tun außer ein paar "durchgeknallte Antideutsche"?

fight "cool Germania"

Es sollte so langsam mal daran gehen zurückzuschlagen und den deutschen NationalistInnen, ihren schmierigen deutschtümelnden Pathos und ihren reaktionären Phrasen etwas entgegen zu setzen. Antifa heißt, und das wusste auch schon Horkheimer, der Kampf ums Ganze. Also gegen den Kapitalismus, gegen die Nation und gegen völkische Identität.

Der deutsche Nationalismus trägt immer die Vernichtungsfabriken in sich. Wenn Deutschtum (wieder) "cool" wird, gilt es den Kampf gegen die deutsche Nation und das "deutsche Volk" aufzunehmen. Im Gedenken der Opfer der deutschen Barbarei. - Wir sind für Vorschläge offen.

(1) Die Feststellung ist im doppelten Sinn richtig. Erstens als zynische Polemik dafür, das in den Vernichtungslagern den Opfern die Goldzähne entfernt wurden bevor sie verbrannt wurden und zweitens als Analyse des Wirtschaftswunders, das auf dem Kapital der Unternehmen beruht, die aus den deutschen Raubzügen die Europa in "Schutt und Asche legten" eine Menge "Gold" gemacht haben.
(2) Zu diesem spannenden Thema wurden im Laufe der :C-Kampagne einige Flyer verfasst. Schaut hierfür auf unsere Hompage: www.communism.de.tc


zurück