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Infoladen Anschlag , 07.09.2004 :

Finger weg von unsern Fingern!

Momentan versucht der Staatsschutz Bielefeld antifaschistischen Widerstand in OWL massiv zu kriminalisieren. Anlass für die aktuelle staatliche Repression war eine antifaschistische Aktion gegen den Vortrag des Neonazis Horst Mahler im Collegium Humanum (CH) in Vlotho im Oktober 2003.

Das CH in der Bretthorststr. 4 in Vlotho ist seit Jahrzehnten Koordinationszentrum rechtsradikaler und neofaschistischer Gruppen. So trifft sich in seinen Räumen regelmäßig Synergon Deutschland, die deutsche Sektion des neurechten europäischen Netzwerkes "Synergies Europeennes". Das CH wird auch von der rechtsextremen "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) genutzt, eine Gruppe die zuletzt im April 2003 im CH eine Veranstaltung organisiert hat, ebenfalls mit Mahler, der dort seine Version der Anschläge vom 11. September verbreiten konnte. Neben solchen Seminaren und Schulungen finden im CH aber auch "Liederabende" oder Rechtsrockkonzerte statt, so z. B. im März 2001 mit den Güterslohern "Sleipnir" und der schottischen Band "Nemesis", die eindeutig dem britischen "Blond & Honour"-Netzwerk zuzuordnen ist. Zuletzt machte das CH im November 2003 auf sich aufmerksam, als dort - wiederum unter Beteiligung Mahlers - der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgter" gegründet wurde, ein Zusammenschluss international bekannter Revisionisten und Holocaustleugner.

Die Veranstaltung im Oktober 2003, gegen die sich der kriminalisierte Protest richtete, war Auftakt einer dreiteiligen Seminarreihe, die Mahler Gelegenheit bot über "Hegels Geschichtsphilosophie" zu referieren. Ca. 30 - 40 Antifaschistlnnen blockierten die Zugänge zum CH, so dass einige Nazis unverrichteter Dinge wieder umkehren mussten. Nach vier Stunden wurde die Aktion abgebrochen. Erst als sich die AntifaschistInnen auf dem Rückweg befanden schritt die Polizei ein und kontrollierte die Personalien. Neben anderen hatte auch die Leiterin des CH, Ursula Haverbeck-Wetzel, Anzeige wegen Nötigung erstattet.

Die Anzeige der Nazis gab der Polizei die Handhabe zur Kriminalisierung und damit auch zum Ausschnüffeln und Datensammeln. Da aufgrund der Personalienüberprüfung die meisten Namen der Beteiligten bekannt waren, erhielten 28 Personen im Februar 2004 eine Vorladung der Bielefelder Polizei. Gegen sie werde wegen Nötigung ermittelt und sie sollten sich doch bitte zu diesem Vorwurf äußern.

Die Betroffenen nahmen ihr Recht als Beschuldigte wahr, sie kamen der Vorladung zur Vernehmung größtenteils nicht nach. Dienen solche Gespräche doch nur dazu dem Staat mehr Informationen über die linke Szene zu liefern, taugen aber nie dazu, den eigenen Kopf (oder den von Genossinnen und Genossen) aus der Schlinge zu ziehen.

Die Gesprächsverweigerung der Beschuldigten wurde postwendend mit der Aufforderung beantwortet, zur Erkennungsdienstlichen Behandlung (ED-Behandlung) zu erscheinen. Zwar könnten die Vorgeladenen dagegen Widerspruch einlegen, die ED-Behandlung würde ihnen aber nicht erspart bleiben, da seitens der Polizei der "sofortige Vollzug" angeordnet wurde. Die Widersprüche hätten daher keine aufschiebende Wirkung.

Aber auch mit diesem Einschüchterungsversuch hatte die Polizei keinen Erfolg. Einige der Beschuldigten legten gegen den Sofortvollzug Widerspruch beim Verwaltungsgericht Minden ein. Das Gericht entschied gegen den Sofortvollzug, was
bedeutete, dass sämtliche Beschuldigte gegen die ED-Behandlung Widerspruch einlegen konnten, diesmal mit aufschiebender Wirkung. Noch muss die Polizei also auf neue Fingerabdrücke und Fotos warten. Trotz des massiven Drucks der von den Ermittlungsbehörden auf die Beschuldigten ausgeübt wurde, ist es nicht gelungen Einzelne einzuschüchtern und zu Aussagen zu bewegen.

Die Notwendigkeit der ED-Behandlung wurde unter anderen damit begründet, dass schließlich gegen die Beschuldigten Ermittlungsverfahren wegen Nötigung anhängig seien. Inzwischen sind die ersten dieser Ermittlungsverfahren eingestellt worden, an der Durchführung der ED-Behandlung wird jedoch festgehalten.

Die Begründung für dieses Vorgehen liefert Dirk Butenuth, Leiter des Bielefelder Staatsschutzes selbst: "Der ( ... ) Aspekt der erkennungsdienstlichen Behandlung ist der der Abschreckung. Wir gehen davon aus, wenn jemand bekannt ist wegen solcher Taten, dass sie sich dann nicht wiederholen."

Das Ziel von Repression und Kriminalisierung ist immer Abschreckung. Die Menschen sollen von eigener Initiative abgehalten werden und darauf vertrauen, dass der Staat schon alles richtig macht. Autonomer Antifaschismus verzichtet auf das Urteil des Staates. Schon viel zu häufig hat sich gezeigt, dass staatlicher Antifaschismus aus reinen Lippenbekenntnissen besteht. So wie im "Antifasommer" 2000, ein Spektakel, das die Nazis nicht wirklich gestört hat, der "Zivilgesellschaft" allerdings ein ruhiges Gewissen verschaffen konnte.

Die Aktion gegen das CH wurde kriminalisiert, weil sie gegen die bestehende Ordnung war, weil die Polizei vorher nicht gefragt wurde und vermutlich, weil nach ihrer Ansicht das Maß an Faschismus in OWL seit den erfolgreichen Protesten gegen die Bielefelder Nazigaststätte "Postmeister" zu niedrig geworden ist. Schon während der Kampagne gegen den "Postmeister" im Sommer 2003 wurde antifaschistischer Widerstand verfolgt. So z. B. wertete die Polizei die Parole "Nazitreffpunkte angreifen - Postmeister dichtmachen" als Aufruf zu Straftaten. Deswegen wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet und ein Prozess eröffnet.

Die Kriminalisierungspolitik wurde dann mit den Verfahren gegen diejenigen fortgesetzt, die gegen das CH protestiert haben und der Staatsschutz hat schon die nächsten Prozesse angekündigt: Im Juni 2004 kam es zu einer antifaschistischen Aktion gegen den Faschisten Meinolf Schönborn. Mit der Outing-Aktion wurde auf den Laden "Meniha" in Herzebrock-Clarholz im Kreis Gütersloh hingewiesen, in dem Schönborn Naziutensilien anbietet. Gegen die vermeintlichen Veranstalterinnen wurden Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. Die Aktion war nicht ordnungsgemäß angemeldet ...

Keine Aussagen bei Bullen und Justiz!
Anna und Arthur halten 's Maul!


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