Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische ,
09.09.2004 :
"Nur die Erinnerung kann uns bewahren" / "Hilfe für verletzte Seelen"-Selbsthilfegruppe gedenkt der Opfer von Zwangssterilisation und Euthanasie in der Nazi-Diktatur
Herford. (geb) Euthanasie – der "schöne Tod". So perfide bezeichneten die Nationalsozialisten ihren Weg, durch systematischen Mord an Behinderten und psychisch Kranken eine "gesunde, arische" Gesellschaft zu errichten. Am 65. Jahrestag des Euthanasie-Erlasses gedachte die "Hilfe für verletzte Seelen"-Selbsthilfegruppe (HFVS) der Opfer.
"In zwei Gesundheitsämtern auf Kreis- und Stadtebene fand die Selektion statt. 180 Menschen in der Stadt und 227 Menschen im Kreis wurden zwangssterilisiert, wie viele ermordet wurden, weiß man nicht", erinnert Ruth Fricke, Vorsitzende des HFVS, an Herfords Anteil am Unrecht. "Nur die Erinnerung kann uns vor einer Wiederholung bewahren."
In ihrem Vortrag über die Arbeit und Ziele des Bundes der Euthanasie-Geschädigten und Zwangssterilisierten erläuterte Margret Hamm den Ursprung des Erlasses. "Der Euthanasie-Erlass wurde auf den 1. September 1939 vordatiert, also auf den Beginn des zweiten Weltkriegs. Die Nazis führten ihren Krieg nach außen und nach innen." Vorgänger des Erlasses war das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das 1934 mit der Vereinheitlichung des Gesundheitswesens in Kraft trat. "Die Datenerhebung in öffentlichen Ämtern, Schulen und Kirchen ermöglichte einen lückenlosen Zugriff", so Hamm. "Ärzte stellten Pseudodiagnosen und wer daraufhin nicht im KZ umkam wurde als lebensunwert zwangssterilisiert." Sogar für die Kinder der Betroffenen war die Sterilisation vorherbestimmt.
Die Überlebenden haben heute einen Sonderstatus, sie werden nicht wie die anderen Opfer der Rassegesetze entschädigt. "Die Opfer werden mit Almosen abgespeist", kritisiert Hamm. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurde bis heute nicht annuliert, es trat lediglich außer Kraft.
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