Unsere Zeit ,
20.09.2002 :
Gedenkveranstaltung und Antifa-Workcamp auf sowjetischem Soldatenfriedhof / Stukenbrock: "Italiener-Friedhof" freigelegt
Am 7. September fand auf dem sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock/Senne die traditionelle Gedenkveranstaltung zu Ehren der 65.000 im Stalag 326 während des Faschismus ermordeten Kriegsgefangenen statt.
Angesichts der US-Kriegsdrohungen gegen den Irak standen Forderungen nach Frieden im Mittelpunkt der diesjährigen Kundgebung. Werner Höner vom Komitee "Blumen für Stukenbrock", MdB Wolfgang Gehrke und zahlreiche andere Redner forderten, dass Deutschland sich auch nicht mittelbar an der Kriegshysterie beteiligen dürfe. Ein wirksames Zeichen dafür sei ein entsprechender Beschluss des Bundestages und zum Beispiel die sofortige Rückführung der Spürpanzer der Bundeswehr aus der Region.
An dem zentralen Mahnmal wurden die Kränze der diplomatischen Vertretungen aus Russland und Weißrussland abgelegt. Rote Nelken lagen auf vielen Grabsteinen. Vertreter des Landkreises und der Landesregierung dankten den Organisatoren und den Jugendlichen für ihr Engagement.
Neben der eindrucksvollen Kundgebung an den Gräbern der 65 000 Soldaten, die in Stukenbrock durch Hunger, Entkräftung, Krankheiten und Arbeit in den Tod getrieben worden sind, bot ein Camp über drei Tage vielen Jugendlichen die Möglichkeit, sich mit der Geschichte und auch mit den zweifelhaften Perspektiven für eine friedliche Zukunft auseinander zu setzen. Verschiedene Arbeitsgruppen boten Gelegenheit, sich intensiv inhaltlich zu beschäftigen.
Professor Dr. Kutz Pätzold aus Berlin erinnerte als Zeitzeuge an die Auseinandersetzungen, die er als Jugendlicher mit den Nazis hatte. In der fundierten Darstellung ging es ebenso wie in der anschließenden Diskussion auch um die Frage, wie nach 1945 in der DDR und in der BRD mit dem Faschismus umgegangen wurde.
Die Organisatoren des Bündnisses, die das Camp engagiert organisiert hatten, hatten sich für dieses Jahr einen neuen praktischen Schwerpunkt vorgenommen: In unmittelbarer Nähe des sowjetischen Kriegsgefangenenfriedhofes liegt das völlig verwilderte und zugewachsene Gräberfeld der italienischen Kriegsgefangenen, die hier als Verräter behandelt wurden, weil sie das Bündnis mit den Hitler-Faschisten aufgekündigt hatten.
Als die Jugendlichen den Wald in Stukenbrock betraten, entdeckten sie zwischen Bäumen und Unterholz lediglich zwei Torpfosten. Hier musste der Eingang zum ehemaligen Friedhof gewesen sein. In vielen Stunden legten sie mit Hacke und Harke, Axt und Beil den Weg zu einer kleinen Anhöhe wieder frei. Sie waren sich einig: Auch dieser Friedhof soll dem Vergessen entrissen werden. Und viele äußerten bereits den Wunsch, dieses Projekt im kommenden Jahr zum Antikriegstag fortzusetzen.
Uwe Koopmann
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