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Unsere Zeit , 16.08.2002 :

UZ-Interview mit Werner Höner, Arbeitskreis "Blumen für Stukenbrock" / Blumen für Stukenbrock am 7. September

In Stukenbrock-Senne stand das sowjetische Kriegsgefangenen-Lager Stalag 326. Zwischen 1941 und 1945 gingen rund 300.000 Gefangene durch das Lager. Besonders sowjetische Kriegsgefangene wurden unter Missachtung des Völkerrechts brutal ausgenutzt. Obwohl kein typisches Vernichtungslager, war die Vernichtung durch Schwerarbeit und Hunger eingeplant - und kostete 65.000 Menschen das Leben. UZ sprach mit Werner Höner über die diesjährige Mahn- und Gedenkkundgebung am 7. September.

UZ: Kannst du kurz etwas zu der langen Geschichte des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock" sagen?

Werner Höner: Günter Gaus, der ehemalige Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, schreibt in seinem Grußwort anlässlich "35 Jahre Antikriegstag in Stukenbrock": "Es ist wichtig, gegen den Strom zu schwimmen, so lange Mut und Atem reichen." Genau das war das Anliegen von Persönlichkeiten verschiedener politischer Richtungen im Jahre 1967.

Es ging darum, Alternativen auf die Politik des Kalten Krieges zu suchen. Der Kalte Krieg beherrschte das Leben in den 60er Jahren und war auch an Stukenbrock nicht vorüber gegangen. Man hatte im Zuge der Restaurierung des sowjetischen Soldatenfriedhofs die rote Fahne vom Obelisken, den die Häftlinge nach der Befreiung errichtet hatten, entfernt. Man hatte ein Denkmal für 42 ermordete Offiziere der Sowjetarmee gesprengt und dafür einen Gedenkstein für die Opfer der Vertreibung gesetzt. Und man hatte in den Geschichtsbüchern und auch in der ganzen Umgebung alles getan, um die Geschichte um Stukenbrock totzuschweigen. Damit wollten wir uns nicht abfinden.

Wenn ich sage "wir", meine ich Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Pfarrer, also Persönlichkeiten aus verschiedenen Richtungen, die sich damals in der kirchlichen Bruderschaft in Lippe im Jahre 1967 zusammenfanden. 1970 haben wir uns dann den Namen "Blumen für Stukenbrock" gegeben.

UZ: Ist der Ansatz, ein so breites Bündnis zu haben, bis heute erhalten geblieben?

Werner Höner: Ja, es gibt wahrscheinlich kein Bündnis, das so kontinuierlich und so lange zusammen gehalten hat, wie "Blumen für Stukenbrock". Davon zeugen auch die zahlreichen Grußworte, die uns jetzt wieder erreicht haben. Zum Beispiel von Günther Gaus, Antje Vollmer, Annelie Buntenbach, Ulrike Mertens oder auch Ursula Engelen-Kefer. Sie spiegeln die Breite und die Resonanz auf unsere Tätigkeit wider.

UZ: Auf den Kundgebungen in Stukenbrock stand immer auch die aktuelle Politik im Mittelpunkt.

Werner Höner: Ja, für uns bedeutet Gedenkstättenarbeit nicht nur, Kränze niederzulegen und der Toten zu gedenken, so wichtig das auch ist. Zur Gedenkstättenarbeit gehört, sich auseinander zu setzen mit Gefahren für den Frieden und an die Menschen zu appellieren, etwas für ihre eigenen Interessen zu tun. Das haben wir immer getan. Das hat uns viele Freunde gebracht, aber auch viele Gegner, die uns deshalb selbst mit Hilfe des Verfassungsschutzes beobachten ließen.

In diesem Jahr findet in Stukenbrock die erste Veranstaltung nach dem 11. September 2001 statt. Wir wollen deutlich machen, dass wir uns einsetzen gegen jegliche Form des individuellen und auch des staatlichen Terrors. Da spielt auch die Israel/Palästina-Frage eine Rolle. Wir meinen, dass die Palästinenser einen Staat in gesicherten Grenzen haben müssen, der von allen Staaten, vor allen Dingen auch von Amerika und den europäischen Staaten anerkannt wird. Natürlich muss auch Israel in gesicherten Grenzen leben. Für uns ist die Souveränität Israels genau so unantastbar, wie die unseres eigenen Landes. Das andere Thema ist der drohende Irak-Krieg.

UZ: Welche Rednerinnen und Redner werden am 7. September sprechen?

Werner Höner: Wir konnten Wolfgang Gehrcke, den außenpolitischen Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion, für die Gedenkrede gewinnen. Weitere Reden werden von der stellvertretenden Landrätin des Kreises Gütersloh und auch von einem Staatssekretär der Landesregierung von NRW gehalten. Hinzu kommt, dass wir eine Gruppe von Schülern aus Moskau zu Gast haben. In ihrer Schule existiert ein "Stukenbrock-Kabinett", in dem kontinuierlich mit den Überlebenden von Stukenbrock Geschichtsarbeit gemacht wird.

UZ: Seit einigen Jahren finden auch wieder Jugend-Antifa-Camps in Stukenbrock statt. Welche Themen bringen die Jugendlichen ein?

Werner Höner: Die Camps in Stukenbrock haben eine lange Geschichte. Sie waren damals entstanden als Jugendliche vor allem von der SDAJ gesagt haben, wir werden uns gegen die Provokationen der Neonazis in Stukenbrock zur Wehr setzen und werden zumindest während der Veranstaltungstage den Friedhof rund um die Uhr bewachen. Das war die Grundlage für die Camps.

Inhaltlicher Schwerpunkt im Antifa-Camp ist in diesem Jahr unter anderem die Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus in der Region Ostwestfalen. Wir haben auf unserer Internet-Seite auch einen Link zum Programm des Jugendcamps, da kann man das Programm nachlesen.

Die Fragen stellte Wera Richter


wera.richter@unsere-zeit.de

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