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Schaumburger Zeitung , 04.09.2004 :

Kurgast entgeht der Röhm-Putsch-Mordwelle / Schriftsteller Hans-Heinz Ewers kann sich in Bad Eilsen verstecken / Wo, das ist bis heute unbekannt

Von Friedrich Winkelhake

Bad Eilsen. Eine der schillerndsten Gestalten des deutschen literarischen Lebens, Hans-Heinz Ewers, gehörte zu Bad Eilsens treuesten Kurgästen.

Bekannt wurde er vor allem durch den von Generationen "wollüstig" verschlungenen Sensationsroman "Alraune". In den 30er Jahren war dieser Roman schon in 28 Sprachen übersetzt und fünfmal verfilmt worden. Hunderttausende von Büchern wurden verkauft. Ewers verkehrte mit den Größen seiner Zeit. In Bad Eilsen traf er sich mit Gerhart Hauptmann und Herbert Eulenberg (Dramatiker). Er fühlte sich zuhause in vielen Denkschulen – bei Anarchisten, Okkultisten, Bohemiens, Politikern und Künstlern. Zu seinen Bekannten und Freunden gehörten auch Erich Mühsam, Eise Lasker-Schüler, Max Reinhardt, Ernst Lubitsch, Walter Rathenau, Hanussen, Kaiser Wilhelm II., aber auch Ernst Röhm und Adolf Hitler.

Bis heute ist man sich nicht sicher, ob Ewers auch das "Horst-Wessel-Lied" schrieb. Auf jeden Fall stammten wohl von Ernst Röhm Idee und Auftrag, einen Roman über Horst Wessel zu schreiben.

Das seit langer Zeit gesammelte Material über Horst Wessel fasste Hans-Heinz Ewers im Sommer 1932 im Fürstenhof Bad Eilsens zusammen. Seine Sekretärin Jenny Gruhl folgte ihm nach Bad Eilsen und tippte hier das Wessel-Manuskript. Im Sommer 1934 arbeitete er in Bad Eilsen am Roman "Der Rhabdomant". Am 30 Juni startete der so genannte "Röhm-Putsch", die Mordaktion, bei der Hitler mit Hilfe der SS die Opposition in den eigenen Reihen – besonders in der SA – ausschaltete. Bis zum 2. Juli ließ Hitler 83 Menschen kaltblütig ermorden.

Unter den Opfern waren einige der engsten und treuesten Mitkämpfer Hitlers. Auch Ewers stand auf der Todesliste. Ein Mitarbeiter in Rosenbergs Ministerium teilte dies der ihm befreundeten Gertrud Freksa persönlich mit. Diese gab die Information ganz schnell an Bruno Jahn (Sekretär und Freund) weiter. Bruno Jahn warnte Ewers in Bad Eilsen. Nur wenige wussten, dass er sich zu dieser Zeit im Hotel Fürstenhof aufhielt. So konnte er sich in Bad Eilsen verstecken und dem Mordanschlag entgehen.

Später konnte durch die Interventionen einflussreicher Freunde Ewers ungeschoren bleiben. Er entging jedenfalls nur ganz knapp der Liquidierung. Später werden von den Nazis alle seine Bücher verboten. Er selbst hat Schreibverbot. Goebbels leitet ein Enteignungsverfahren gegen Ewers ein.

Erst recht spät, etwa ab 1938, vollzieht sich bei dem Schriftsteller eine totale Abkehr vom Nationalsozialismus. Die politische Lage deprimiert ihn sehr. Nun bringt er sich durch defätistische Witze über die Nazis selbst wieder in Gefahr. Vor allem aber hilft er nach der Veröffentlichung der Nürnberger Gesetze vielen jüdischen Bekannten mit "organisierten" Ausreisepapieren. Er vermittelt faire Entschädigungen für Grundbesitz und Firmenübergaben. In seinem Haus wimmelt es manchmal von jüdischen und sonstigen verfolgten Freunden, und jedem wird, soweit es möglich war, mehr oder weniger geholfen.

Seit Ende 1939 war Ewers mit einer hochgradig gefährdeten Halbjüdin, der Diplom-Ingenieurin Rita Grabowski, liiert. Mit ihr verbrachte er auch einige Jahre lang wieder längere Aufenthalte in Bad Eilsen .

Wo sich Hans-Heinz Ewers während seiner Zeit, die er in Bad Eilsen um die Monate des Röhm-Putsches herum verbracht hat, verstecken konnte, ist bisher nicht bekannt.

04./05.09.2004
sz@schaumburger-zeitung.de

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