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Schaumburger Zeitung , 04.09.2004 :

Grüße von ganz rechts: Hakenkreuze und Heß-Plakate

Nach der Verhaftung ihrer Führungskräfte war von der Neonazi-Szene lange nichts zu sehen / Propaganda an Schulen

Von Frank Werner

Landkreis. Feiern, marschieren, Plakate kleben - Schaumburgs rechte Szene ist nach der Verhaftung ihrer führenden Köpfe nicht in einen Dornröschenschlaf verfallen. Zwar haben die Rechtsradikalen die Strategie des "Straßenkampfes" aufgeben müssen - ihre Organisationsstrukturen aber blieben erhalten. Nachdem die Polizei vor zwei Wochen Rudolf Heß-Plakate aus den Innenstädten Stadthagens und Bückeburgs entfernen musste, meldeten gestern drei Stadthäger Schulen die Verbreitung von Handzetteln der "JN Schaumburg".

Ungeklärt ist ein Vorfall vom 1. Juni: Unbekannte haben ein Hakenkreuz mit der Beschriftung "Forever" und ein Galgenmännchen an das Gebäude des Türkisch-Islamischen Kulturvereins in der Lauenhäger Straße in Stadthagen gesprüht. Schon in der Nacht zum 20. Mai war das Haus, das auch als Gebetsstätte genutzt wird, mit einem Hakenkreuz beschmiert worden. Die Staatsschutz-Abteilung der Polizei ermittelt hier allerdings auch gegen einen Tatverdächtigen, bei dem ein politischer Hintergrund nicht vermutet wird.

In die Propaganda-Offensive gingen die Rechtsradikalen am 17. August - dem Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. In der Nacht verbreiteten Neonazis Flyer und Aufkleber zum angeblichen Mordkomplott gegen Heß im Spandauer Gefängnis. Plakate des "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Mitteldeutschland" wurden kreuz und quer durch den Landkreis geklebt: in der Bückeburger Fußgängerzone, am Bahnhof in Lauenau, in Stadthagen an der Jahnstraße, an den Tennisplätzen in Meerbeck und in Niedernwöhren. Die Polizei hat in der gleichen Nacht ein Auto gestoppt, in dem drei polizeibekannte Rechtsradikale aus Schaumburg und Minden saßen. Im Kofferraum entdeckten die Beamten weitere Plakate.

Auch am "Gedenkmarsch" im bayerischen Wunsiedel (wo Heß begraben liegt) haben Schaumburger Neonazis teilgenommen. Im Landkreis selbst ist es auf den Straßen inzwischen ruhig geworden: Die Strategie, mit Aufmärschen und Werbeständen öffentliche Präsenz zu demonstrieren und die Antifa zu Gegenaktionen zu provozieren, blieb Episode.

Sie endete mit der Verhaftung und Verurteilung des ehemaligen NPD-Kreisvorsitzenden Sandy O. und seiner Mitstreiter Michael S. und Markus W. im vorigen Jahr. Ohne das Führungstrio stand die rechte Szene zunächst kopflos da - inzwischen haben sich neue "Kameradschaftsführer" an die Spitze gestellt. Die personelle Fluktuation ist hoch, zum harten Kern der "Kameradschaft Weserbergland" rechnet die Staatsschutzabteilung der Polizei derzeit rund 15 Personen, die meisten sind Jugendliche oder Heranwachsende. Der Schwerpunkt ihrer Aktivität hat sich von Rinteln ins nördliche Kreisgebiet verlagert.

Rechte Gewaltaktionen hat die Polizei seit den Auseinandersetzungen mit der Antifa, die im Juni 2002 mit dem Neonazi-Aufmarsch in Rinteln ihren Höhepunkt fanden, nicht registriert. Allerdings ermittelt die Polizei in Verden gegen einen Rechtsradikalen aus Lindhorst, der bei einem Aufmarsch einen Aktivisten der Antifa mit einer Holzlatte geschlagen und schwer verletzt haben soll. Der Lindhorster saß auch im Auto, als die Polizei am 17. August die Plakatierung der Heß-Propaganda stoppte.

Nachwuchs wollen die Rechtsextremisten offenbar an Schulen werben. In Stadthagen meldeten IGS, Berufsschule und Ratsgymnasium gestern das Auftauchen von Flyern, die an die "deutsche Jugend" adressiert waren und zum "Widerstand" aufriefen. Absender: die Jungen Nationaldemokraten Schaumburg, vertreten durch eine Handy-Nummer.

04./05.09.2004

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