Lippe aktuell ,
08.06.2002 :
Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Familie Sit darf bleiben - bis auf weiteres
Detmold (pas). Vorläufiges Aufatmen bei der kurdischen Familie Sit: sie wird zunächst nicht in die Türkei abgeschoben. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den seit November 2000 anhängigen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Negativurteil des Verwaltungsgerichtes Minden im 3. Asylfolgeverfahren des Muhsin Sit positiv entschieden. Damit wird ein Berufungsverfahren in der Asylangelegenheit möglich und über die eventuelle Gewährung politischen Asyls neu entschieden.
Der bezüglich der Restfamilie gestellte Eilantrag beim Verwaltungsgericht Minden mit dem Ziel der Aussetzung der auf den 06.06. festgesetzten Rückführung wurde allerdings abgelehnt (AZ. 11 L 603/02). Aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes wird die Stadt Detmold davon absehen, den Aufenthalt der Familie Sit am 06.06. zu beenden und den Ausgang des 3. Asylfolgeverfahrens abwarten.
"Es ist zu begrüßen, dass jetzt eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden konnte, die der Stadt die Möglichkeit eröffnet, bis zu einem abschließenden Urteil der Familie eine Duldung zu erteilen", äußerten sich die zuständige Fachbereichsleiterin Annegret Sandbothe und der Produktverantwortliche der Ausländerbehörde Uwe Rieks.
Aufgrund der Bindungswirkung der vorherigen gerichtlichen Entscheidungen sah die Stadt bisher ausländerrechtlich keine Handhabe. Das Oberverwaltungsgericht hatte im April nach Informationen durch die Stadt über die unmittelbar bevorstehende Rückführung mitgeteilt, dass ein Entscheidungstermin noch nicht absehbar sei.
Bisher haben die ausländerrechtlichen Entscheidungen der Stadt u.a. auch die Konsulatsvorführung am 8. Mai, den jeweiligen verwaltungsgerichtlichen Überprüfungen standgehalten. Bemühungen der Stadt, die Erkrankung des Muhsin Sit als mögliches Abschiebungshindernis zu prüfen, scheiterten an der fehlenden Mitwirkung des Bevollmächtigten, Rechtsanwalt Rainer Hofemann. "Er hat uns weder umgehend die Aufnahme in das Krankenhaus am 08.05. mitgeteilt noch die angeforderte Entbindung von der Schweigepflicht der behandelnden Ärzte im Westfälischen-Landes-Krankenhaus in Gütersloh vorgelegt. Wenn dieses erfolgt wäre, hätte der Familie unter Umständen viel Leid erspart werden können", stellt Sandbothe abschließend fest.
Das sieht die Kanzlei in Bielefeld indes ganz anders: "Der Stadt lagen genügend ärztliche Atteste vor. Sie hätte Sit nicht dem Konsulat vorführen dürfen, da er nicht reisefähig war", meinte Kanzleianwältin Catrin Hirte-Piel gegenüber "Lippe aktuell". Die hatte Rieks auch dem zuständigen Amtsarzt vorgelegt, der in einem solchen Falle entscheiden muss, doch der konnte nach Aktenlage keine Veränderung gegenüber März entdecken und hatte nichts gegen die Konsulatsvorführung einzuwenden. Laut Rieks wäre eine Vorführung nicht nötig gewesen, hätte sich die Familie selbst um Pässe bemüht. Dazu habe sie seit 1999 Gelegenheit gehabt. Nur wegen einer Schwangerschaft und weiterer Asylanträge hätten sie in Detmold noch geduldet werden können.
Das sie bis auf weiteres bleiben dürfen, haben rund 100 Menschen bei einer Demonstration auf dem Detmolder Marktplatz mit Freude aufgenommen. "Schön, dass ihr alle noch unter uns seid", meinte Ruth Schwabedissen, die mit einigen anderen Familien die Familie Sit im Alltag unterstützt. "Wir haben alle mit euch gelitten unter dem, was eurem Vater hätte passieren können." Gudrun Lagemann vom Internationalen Beratungszentrum (IBZ) kritisierte das Recht auf Asyl als eine "Farce": "Es war und ist höchste Zeit, dass sich der Protest gegen die seit Monaten sich verschärfende Gangart der Detmolder Ausländerbehörde formiert." Kritik auch am "Bündnis für Toleranz und Zivilcourage", das sich nicht an den Aktivitäten für ein Bleiberecht der Familie Sit beteiligt hat. Sie hätten ein Plakat herausgegeben: "Wir sind alle hier zu Hause". Das gelte auch für Flüchtlinge. Niemand dürfe gezwungen werden, Detmold zu verlassen.
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