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Schaumburger Zeitung , 03.09.2004 :

"Diese Jahre kann man nicht einfach vergessen" / Christoph Scholz schenkt der Stadt seine Chronik der Dörfer Herzogswaldau und Kalthaus

Bückeburg (ch). Gleich drei Anlässe gab es für den Besuch der Schlesiergruppe, ehemalige Bewohner von Herzogswaldau und Kalthaus am Wochenende in Bückeburg: das 25. Treffen in Bückeburg, die Fertigstellung der Chronik der Dörfer Herzogswaldau und Kalthaus und das 700. Jubiläum der ersten nennhaften Urkunde aus Herzogswaldau im Jahre 1304.

Aber woher stammt der Bezug zu Bückeburg? Ein wenig Geschichte: Herzogswaldau und Kalthaus sind zwei Dörfer in Kreis Jauer in Niederschlesien. Am 13. Februar 1945 zog die Rote Armee durch die Dörfer und hinterließ eine Spur der Verwüstung. Zwei Nächte später wurden viele Einwohner von deutschen Truppen aus dem Elend befreit und flohen in die Tschechei. Nach dem Zusammenbruch ging es am 8. Mai wieder in die Heimat zurück. Darauf folgte ein bitteres Jahr unter polnischer und russischer Herrschaft: Plünderungen und Hunger gehörten nun dem Alltag an.

Am 3. August 1946 begann die Vertreibung, am fünf Tage später strandeten die Bewohner in Güterzügen in Stadthagen und wurden auf Lastwagen im Schaumburger Land verteilt: Hagenburg, Meinsen, Südhorsten, Buchholz, Sülbeck – nur um ein paar zu nennen. Kurz: Im Schaumburger Land fanden die Schlesier ihre zweite Heimat. Gemeinsam mit den Schaumburgern leisteten sie ihren Anteil am Wiederaufbau Deutschlands.

"So etwas verbindet", weiß Christoph Scholz, Verfasser der Chronik. Drei Jahre harte Arbeit in Bibliotheken, Archiven, früheren Hauptstädten und am Schreibtisch liegen hinter ihm und vielen fleißigen Helfern. "Das ist aber nichts, wenn man hinterher ein Stück Geschichte gebündelt in den Händen halten kann. In der nun fertig gestellten Chronik schlummern unsere Erinnerungen, Erlebnisse – ob gut oder schlecht, und viele Erzählungen und Berichte von Leidensgenossen oder Bekannten und Freunden." 1945 hatte es eine Chronik von Herzogswaldau gegeben, sie ging aber verloren. Sehr wahrscheinlich fielen Beweisdokumente dem Feuer der Roten Armee zum Opfer. "Es war also alles andere als einfach, Quellenmaterial zu finden."

Fast 60 Jahre sind seit der Vertreibung vergangen. "Durch das Gedächtnis vieler Menschen ist diese Chronik überhaupt zustande gekommen. Nahezu 700 Seiten umfassen dieses Geschichtserlebnis", erklärt Scholz. Im Anhang finden sich wichtige Dokumente, die älteste Urkunde ist von 1304. Der Verfasser: "Jeder, der diese Chronik liest, wird erkennen, dass Herzogswaldau und Kalthaus eine Menge Geschichte zu bieten haben."

Als Nachtrag sind Berichte über Dorftreffen von 1952 bis heute erfasst. Diese fanden zuerst in Südhorsten statt, weil der frühere Lehrer Schlüter dort eine Stelle fand und man sich so in einem Klassenraum traf, später dann in Bückeburg. "So schließt sich der Kreis also wieder", so Scholz, "manchmal bricht die Wunde auch wieder auf, aber mit dieser Chronik wollen wir zeigen, dass wir solche Verbrechen verachten."

Christoph Scholz zeigte sich überglücklich, diese Chronik Bürgermeisterin Edeltraut Müller zu überreichen – als Dank auch an die umliegenden Dörfer für die herzliche Aufnahme und das Gefühl, eine neue Heimat gefunden zu haben. "Ich weiß, dass man diese Jahre nicht einfach vergessen kann, aber ich hoffe für Sie alle, dass Sie hier im Schaumburger Land noch viele, viele schöne Jahre erleben dürfen und können", so Müller.


sz@schaumburger-zeitung.de

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