WebWecker Bielefeld ,
06.08.2003 :
Geschichte des Stalag 326 Stukenbrock
Das "Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager (Stalag) 326 (VI K) im Wehrkreis VI Münster" wurde Anfang Mai 1941 auf dem Truppenübungsplatz Senne eingerichtet. Als die ersten 2.000 Gefangenen am 10. Juli 1941 eintrafen, gab es anstelle von Baracken lediglich ein mit Stacheldraht umzäuntes Feld, so dass die Männer bis in den Spätherbst 1941 hinein unter freiem Himmel oder in Erdlöchern hausen mussten. Ursprünglich sollten die gefangenen Rotarmisten aus ideologischen Gründen von anderen Nationalitäten getrennt zur Arbeit eingesetzt werden. Die hohe Sterberate, Unterernährung und Krankheiten ließen das Vorhaben jedoch völlig fehlschlagen. Vom Stalag Senne ließen sich im Januar 1942 beispielsweise nur 922 von 3.333 Mann zum Arbeitseinsatz einteilen.
Im Rahmen einer Neuorganisation erhielt deshalb das Stalag 326 ab September 1942 wie alle anderen Stalags im Wehrkreis VI mit dem Land Lippe und dem Regierungsbezirk Minden einen eigenen Arbeitseinsatzbereich, in dem es für sämtliche Kriegsgefangene, also auch die anderer Nationalität, zuständig war. Dementsprechend erschienen in der Statistik neben den sowjetischen Gefangenen auch Franzosen, Serben, Belgier und Polen, ab 1943 auch italienische Militärinternierte. Die meisten Kriegsgefangenen lebten außerhalb des Lagers nahe den Arbeitsstätten in ihren Arbeitskommandos; im Lager selbst hielten sich nur diejenigen auf, die in der Umgebung arbeiteten, dazu Lagerhandwerker und Revierkranke.
Zusätzlich erhielt das Lager auf Betreiben der Reichsvereinigung Kohle als ehemaliges "Russenlager" bezüglich der sowjetischen Kriegsgefangenen die Funktion eines zentralen Ausleselagers für den Ruhrbergbau. Nach einer Musterung überstellte man die Gefangenen in das ausschließlich für den Bergbau zuständige Stalag VI A Hemer, das sie dann zu den Zechen weitertransportierte. Tausende dieser Männer kamen dort unter unmenschlichsten Arbeitsbedingungen ums Leben oder starben in den Lagerlazaretten an Tuberkulose oder Entkräftung.
Das Leben der Gefangenen wurde von verschiedenen Faktoren bestimmt:
Maßstab für die Behandlung der Gefangenen war nicht die Genfer Konvention von 1929, sondern die NS- Weltanschauung. Willkürmaßnahmen von Seiten der Wachmannschaften, aber auch der Zivilbevölkerung, war dadurch Tür und Tor geöffnet. Immer wieder suchten zudem Einsatzkommandos der Gestapo nach aus ideologischen Gründen "untragbaren" Gefangenen wie Kommissaren, Juden, Intelligenzlern, die sie "aussonderten" und in das KZ Buchenwald zur Exekution, ab Mitte 1942 zum Teil auch zum Arbeitseinsatz, brachten. Bis Kriegsende wurden rund 4.600 Mann dorthin transportiert.
Ab Herbst 1942 wurden Gefangene für den Bergbau zu Zehntausenden durch das Lager geschleust. Bis zur Befreiung wurde es von rund 300.000 Männern durchlaufen. Sie wurden teilweise in großen Zelten untergebracht. Unterbringung, Mangelernährung und körperliche Erschöpfung ließen die Todesrate rapide ansteigen: allein in den letzten drei Monaten des Jahres 1942 starben etwa 5.000 Mann.
Während die westlichen Gefangenen gemäß der Genfer Konvention behandelt wurden und deren Leben daher verhältnismäßig erträglich war, gestaltete sich die Situation der als "slawische Untermenschen" eingeordneten Polen und Serben erheblich schlechter. Unter diesen standen, den Sowjetgefangenen durchaus vergleichbar, nur noch die italienischen Militärinternierten, denen man Treuebruch und Verrat am deutschen Volk vorwarf. Mit etwa 700 Toten hatte diese Gefangenengruppe dann auch die zweithöchste Zahl an Opfern zu beklagen.
Als am 2. April 1945 US-Truppen das Lager befreiten, fanden sie dort noch etwa 9.000 sowjetische Gefangene vor. Auf der Suche nach Nahrung, aber auch aus Rache plünderten viele von ihnen die umliegenden Bauernhöfe. Ein Sachverhalt, der der Bevölkerung stärker im Gedächtnis geblieben ist als die Zustände im Lager in den vier Jahren zuvor. Bis zum Sommer 1945 wurden die Gefangenen in die Sowjetunion zurückgeführt, dort aber in einigen Fällen wiederum als "Verräter" oder "Kollaborateure" verfolgt und gebrandmarkt.
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