Lippische Landes-Zeitung ,
01.09.2004 :
"Goldener Pfannkuchen" geräumt / Gemeinde siedelt Asylbewerber ins Wohnheim Wülfentrup um
Dörentrup (blu). Die Habe von Tamara Sokiasyal stapelt sich - in Kisten und Kästen, in Tüten und Taschen verpackt - zu einem großen Berg mitten im Zimmer. Der Berg erdrückt den Raum, lässt ihn klein erscheinen. Zu klein für die vielen Sachen, zu klein für Tamara und ihre Söhne David (14) und Levon (5), die hier zu dritt leben sollen. Seit gestern muss sich die Asylbewerber-Familie aber doch in dem Zimmer im Wohnheim Wülfentrup arrangieren. Zuvor hatten sie in dem anderen Dörentruper Asylbewerber-Wohnheim gelebt, dem "Goldenen Pfannkuchen". Gestern hat die Gemeinde das Haus geräumt.
Das ehemalige Gasthaus sei als Wohnort für die Asylbewerber aus gesundheitlicher und hygienischer Sicht nicht mehr tragbar gewesen, berichtet Bürgermeister Friedrich Ehlert. "Das Haus war heruntergekommen, das ging nicht mehr. Wir haben den Bewohnern rechtzeitig den Termin bekannt gegeben, haben ihnen erklärt, warum wir das tun." Mit der Umsiedelung der Bewohner in das Haus Wülfentrup habe man eine gute Lösung gefunden, die Wohnsituation für die Asylbewerber habe sich dadurch eindeutig verbessert.
Dennoch läuft der Umzug nicht ohne Emotionen ab. Fahrzeuge und Mitarbeiter des Bauhofes bringen den ganzen Tag über Kisten, mit Kleidung voll gepackte Müllsäcke und ramponierte Möbel zur neuen Behausung. Die Asylbewerber sammeln ihr Hab und Gut in den zugewiesenen Räumen, schimpfen über die Enge, versuchen, sich mit ihren bereits hier lebenden Schicksalsgenossen zu arrangieren. Die Polizei ist auch vor Ort - "zum Schutz unserer Mitarbeiter", sagt Ehlert. Und der sei auch nötig gewesen.
Dass das ehemalige Gasthaus an der B 66 nicht mehr tragbar gewesen sei als Wohnheim, das räumen auch Ilona Linnemann und Ulla Büchsenschütz ein, die die Aktion für das Friedensbüro Lemgo begleitet haben. "Aber das Haus in Wülfentrup ist viel zu klein. Die Leute werden hier auf viel zu engem Raum zusammengepfercht", bemängeln sie.
Zudem habe die Bezirksregierung gefordert, dass das Haus vor dem Einzug der weiteren Mieter renoviert werden müsse. Das sei nur sehr unzureichend passiert, findet Ilona Linneweber. "Hier sind einfach die Tapeten abgerissen worden, dann hat man da kurz drübergepinselt."
Das Gebäude sei sehr wohl renoviert worden, hält Bürgermeister Ehlert dagegen. "Sogar zum Teil in Zusammenarbeit mit den Bewohnern. Sicher kann man außen am Gebäude noch was tun." Das sei auch geplant.
An die 40 Leute sind nun im Wohnheim untergebracht. Darunter sind Georgier und Iraker, Chinesen, Armenier, Aserbaidschaner, Kurden und Türken. Von denen müssten sich einige ein Zimmer teilen, räumt Ehlert ein. "Natürlich ist das kein Hotel, natürlich ist das nicht angenehm, mit drei oder vier Leuten in einem Raum zu wohnen. Aber das ist gängige Praxis."
Darüber hinaus bemängeln Ilona Linnemann und Ulla Büchsenschütz, dass reichlich Zeit gewesen sei, einige der Familien, die schon weit länger als drei Jahre im Wohnheim leben, nun direkt in eine ihnen nach dieser Frist zustehende Wohnung umzusiedeln. Eine Familie wohne sogar bereits seit zwölf Jahren im Wohnheim Wülfentrup, so Linnemann.
Ehlert: "Die Familie - eine Mutter mit zwei Kindern - hat eine Duldung. Und sie ziehen nächste Woche in eine eigene Wohnung." In der Tat habe die Familie bislang im Wohnheim gelebt, aber wenn eben auch nicht in einer separaten Wohnung, so doch in einer "wohnungsähnlichen Einheit". "Wenn wir die Unterbringung in einem gemeindeeigenen Gebäude in dieser Form regeln können, dann machen wir das so. Dann lasten wir erst unsere eigenen Wohnungen aus", agt Ehlert. Mit dem Auszug der Familie werde sich die Lage im Wohnheim für die übrigen Bewohner noch etwas entschärfen und für alle erträglicher werden.
lemgo@lz-online.de
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