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junge Welt , 24.08.2004 :

Agitprop für Flüchtlingsrechte / Protesttour gegen Abschiebeknäste und "Ausreisezentren" im niedersächsischen Bramsche gestartet

Reimar Paul

Der Name war gefälscht, Conrad Bramm heißt in Wirklichkeit Colorado Vladimir Bramsco. Weil der Betrug aufflog, wird der Mann jetzt aus Deutschland ausgewiesen. Obendrein verliert er sein Amt als Leiter des Asylbewerberlagers Bramsche und muss die bislang zu Unrecht erhaltenen Vergütungen zurückzahlen. Doch die Abschiebung scheitert, Bramm hat sich der Maßnahme durch Flucht entzogen. Das Straßentheaterstück vor dem Wohnhaus von Bramm im niedersächsischen Bramsche ist eine von vielen Aktionen, mit denen Flüchtlinge und ihre Unterstützer seit dem Wochenende gegen Sammelunterkünfte und Abschiebeknäste protestieren. Bramsche, wo im Ortsteil Hesepe in einer ehemaligen Kaserne mehr als 500 Flüchtlinge vor ihrer Abschiebung festgehalten werden, ist die erste Station der sogenannten Antilagertour.

Zum Auftakt der zweiwöchigen Reise quer durch die Bundesrepublik hatten am Wochenende mehr als 500 Menschen gegen das Bramscher Abschiebelager demonstriert. Der bunte und laute Zug marschierte durch Hesepe bis zum Lager. Dort rüttelten die Demonstranten heftig an den Zäunen. Zuvor hatten Stelzenläufer versucht, den Zaun zu überschreiten. Auch die Staatsmacht zeigte massiv Präsenz. Rund 200 Beamte, einige hoch zu Roß, standen den Protestierenden gegenüber. Die Berittenen drängten die Demonstranten vom Zaun weg. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurde ein Mann vorläufig festgenommen. Das Rütteln am Zaun sei rechtswidrig gewesen.

"Wir haben hier deutlich gemacht, dass wir die Zäune nicht akzeptieren, die die Flüchtlinge an diesen Orten isolieren sollen", sagte Doris Fenzer von der Pressegruppe der Antilagertour. Auch Flüchtlinge aus dem Lager schlossen sich der Demonstration an. Nach Angaben von Betroffenen gehören immer neue Verhöre und willkürliche Zimmerdurchsuchungen zum Lageralltag. Damit soll den Flüchtlingen der Aufenthalt in Deutschland offenbar so nachhaltig verleidet werden, dass sie das Land von sich aus verlassen. Die sogenannten Betreuer, die die Verhöre führen, sollen Prämien für jeden "freiwillig" ausgereisten Flüchtling erhalten.

Am Mittwoch wird die Tour in Hannover halt machen. Ziel ist dort das Abschiebegefängnis im Stadtteil Langenhagen. Hier werden bis zu 250 Flüchtlinge vor ihrer Abschiebung gefangengehalten. Der Abschiebeknast befindet sich in einer ehemaligen Kaserne direkt am Flughafen. Kurz nach Eröffnung des Knastes im Jahr 2000 hatte sich dort ein 17jähriger aus Sri Lanka erhängt. Er sollte wenige Tage später ausgewiesen werden. Weitere Stationen der Protestkarawane sind Halberstadt (Sachsen-Anhalt), Berlin, Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) sowie Eisenhüttenstadt in Brandenburg.


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