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Courage gegen Rechts , 26.08.2004 :

Radikalkur in Bad Salzuflen / Demonstration gegen Rechtsrock und Neonazis

In Bad Salzuflen hat sich in den letzten Jahren eine rege Neonaziszene etabliert. Die örtliche Kameradschaft "Boot Bois Lippe" bekennt sich in ihren Veröffentlichungen klar zum Nationalsozialismus. Auf Rechtsrockkonzerten rund um die Kleinstadt wurden Hakenkreuze zur Schau gestellt, die Szene-Band "Knock out" versucht gezielt Fußballfans anzusprechen.

Die Aktivitäten der Kameradschaft zielen auf die Schaffung einer extrem rechten Jugendsubkultur. Sie ist nicht nur bei bundesweiten Neonaziaufmärschen präsent, sondern auch auf der Bielefelder Alm, bei Parties, der Organisation von Rechtsrockkonzerten im Ortsteil Lockhausen und dem Versand neonazistischer CD's, etwa durch den ehemals in Bad Salzuflen ansässigen “H8 Rock“ Versand. Damit wird gerade für Jugendliche eine neonazistische Erlebniswelt geschaffen. Sie ermöglicht einen idealen, vorerst unverbindlichen Einstieg in die Szene, denn die Übergänge zwischen Rechtsrock, Naziskinheadszene und organisierten Kameradschaften sind fließend.

In diesem Umfeld verbreiten die Neonazis ihre braune Weltanschauung. In Bad Salzuflen dienen dazu nicht nur Musiktexte, in denen zu rassistischer Gewalt angereizt wird, sondern auch die Zeitschrift der Kameradschaft, das "Herrlich Hermannsland". Das Fanzine ist zwar nur von mäßiger Qualität und Auflage, aber dafür bekennen sich die "Boot Bois Lippe" um so deutlicher zum Nationalsozialismus.

So verbergen sich hinter dem scheinbar zufälligen Auftreten einer extrem rechten Jugendsubkultur systematische Aktivitäten, die darauf zielen eine neonazistische Erlebniswelt zu schaffen und in diesem kulturellen Vorfeld eine nationalsozialistische Weltanschauung zu verbreiten.

Die braune Ideologie gedeiht vor allem da, wo den Neonazis nichts entgegen gesetzt wird. Darum gilt es gegen die Drahtzieher auf die Straße zu gehen. Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie hinter der beschaulichen Kleinstadtfassade NS-Ideologie verbreitet und Geschäfte mit dem Rechtsrock abgewickelt werden.

Antifaschistische Demonstration
Am Samstag, den 18. September, um 11.00 Uhr, Bahnhof Bad Salzuflen

Den Nazis die Suppe versalzen

Die Demonstration wird unterstützt von:

Friedensbüro e. V., Lemgo; Internationales Beratungszentrum, Detmold; AntiDiskriminierungsBüro Lippe; Courage gegen Rechts, Bielefeld; Autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline, Detmold; Antifa-West, Bielefeld; PDS Kreisverband Lippe; Antifa-Café in der alten Pauline, Detmold; Junge Linke Herford; PDS Kreisverband Bielefeld; www.hiergeblieben.de, Antifaschistischer Arbeitskreis Detmold; Netzwerk Ostwestfalen-Lippe für Regionale Agenda e. V.; Antifa AG Universität Bielefeld; Jugendkulturzentrum FlaFla, Herfor; "Detmolder Alternative" – Opposition von unten

Zum Hintergrund

Das in Bad Salzuflen erscheinende "Herrlich Hermannsland" ist zwar nur eine kleines Neonazifanzine mit einer Auflage von rund 500 Exemplaren, dafür sind die Aussagen um so deutlicher. Die Hefte enthalten Berichte von Neonazikonzerten. Strafbare NS-Symbole werden mit Aufklebern überklebt. Andere Artikel behandeln zum Beispiel "Himmlers Kultstätten", den "SS-Totenkopfring", die Vita des ehemaligen Hitlerstellvertreters Rudolf Hess oder befassen sich mit einem Vergleich "Sozialer Nationalismus/germanisches Heidentum". Es gelte "die geistigen Verunreinigungen unserer Art durch vermeintliche Ideologien des Judeo-Christentum und des herrschenden okkupierten Systems auszuwaschen", heißt es da. An anderer Stelle wird den Angehörigen der NS-Wehrmacht gehuldigt, die bis zuletzt für das verbrecherische Regime kämpften. Die "Niederlage" des Nationalsozialismus als Akt der Befreiung zu verstehen, so schreiben die Neonazis, könne nur "als kollektive Geisteskrankheit, als paranoide Gefühlsregung weitere Bevölkerungskreise nach fünf Jahrzehnten systematischer Gehirnwäsche" gedeutet werden.

Sympathien und Kontakte der "Boot Bois Lippe" gehen dabei bis ins Umfeld von Terrorgruppen. Das kommt in der Werbung für das deutsche Combat 18 Magazin "Stormer" zum Ausdruck. Die in Grossbritannien entstandene Terrortruppe "Combat 18" gilt als bewaffneter Arm der "Blood & Honour" Bewegung. Zahlreiche Morde und Mordanschläge gehen auf ihr Konto. "Stormer" wird darum nicht offen gehandelt und vor allem auf Neonazikonzerten verkauft, "beim Händler deines Vertrauens", wie es in "Herrlich Hermannsland" heißt.

Die Gelegenheit zum Kauf derartiger Schriften bietet sich auf konspirativen Nazikonzerten, von denen zum Beispiel im September 2003 zwei im Bad Salzufelner Ortsteil Lockhausen stattfanden. Eines dieser Konzerte wurde von einem Kamerateam des Spiegel-TV gefilmt. Die Aufnahmen der rund 120 BesucherInnen zeigen, dass Neonazis dort offen Hakenkreuze zur Schau trugen. Um ein immer größeres Umfeld von Jugendlichen mit Rechtsrock zu beliefern, hat die Szene in Bad Salzuflen mehrere Versände betrieben, zuerst war dort der "Zentralversand" ansässig, dann wurde der "H8 Rock" Versand gegründet. "H8 Rock" hat zwei Bedeutungen. Es kann englisch als "Hate Rock" gelesen werden, aber auch als übliche Neonazicodierung von 88, was gleichbedeutend mit "Heil Hitler" ist. Angeblich soll auch dieser Versand mittlerweile eingestellt sein.

Auch mit der Band "Knock out" ist die Szene im Rechtsrockgeschäft aktiv. "Portugal wir kommen" heißt die erste CD der Gruppe und soll vor allem Fußballfans und Hooligans ansprechen. "Scheißegal, Portugal wir kommen und mit uns kommt der Sieg/ Für jedes Gegentor gibt's was aufs Ohr/Schlachtgesänge, Deutschlandfahnen und Kneipenkrieg", ruft Sänger Maurice Quakernack ins Mikrophon. Auf den ersten Blick handelt es sich um ein unpolitisches Hooliganprojekt. Im Booklet ruft die Band zum Protest gegen Stadionverbote und Repression von "normalen" Fußballfans auf. Bei genauerem Hinsehen, zeigt sich jedoch der neonazistische Hintergrund der Beteiligten. Sänger Maurice Quakernack etwa, gehörte in der Vergangenheit zu "Sleipnir", seit Jahren eine angesagte Rechtsrockband, die auf Konzerten im In- und Ausland auftrat. Die Gruppe bekannte sich klar zur Neonaziszene. In Konzerten, bei denen Sleipnir auftrat, schrie das Publikum "Sieg Heil" und zeigte den Hitlergruß. Tonträger wurden indiziert und eingezogen, weil sie in menschenverachtender Weise gegen Ausländer hetzten und sie zu Parasiten herabwürdigten. Zu den größeren Auftritten von Sleipnir gehörte 2002 das Pressefest der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme" oder das "White x-Mas" Konzert der englischen Division von "Blood & Honour", einer Organisation, die in der Bundesrepublik im Jahr 2000 verboten wurde.

Informationsveranstaltungen:

Bielefeld: Sonntag, 5. September 2004, 20.00 Uhr, AJZ, Heeper Straße 132

Detmold: Mittwoch, 15. September 2004, 19.30 Uhr, Autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline, Bielefelder Straße 3, 32756 Detmold

Weitere Informationen im Internet unter www.antifa-west.org


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