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Mindener Tageblatt , 24.08.2004 :

Heißer Herbst: Der Reformstreit erreicht Minden / Globalisierungskritiker von Attac Minden protestieren gegen Hartz IV / Montags-Demonstrationen

Von Anja Peper

Minden (mt). Der Reformstreit in Deutschland geht weiter: Die hiesige Attac-Regionalgruppe hat gestern Nachmittag erstmals öffentlich gegen die Arbeitsmarktreformen unter dem Stichwort "Hartz IV" protestiert.

Etwa 20 Menschen waren es, die am Fuße der Martinitreppe zusammenkamen, um am Informationsstand in Zweier- und Dreiergrüppchen über die Reformen zu diskutieren - ein bescheidener Anfang. Lange Reden wurden nicht geschwungen. Attac-Sprecher Bernd Mehrhoff (50) wollte den gestrigen Montag erst einmal nutzen, um ein Stimmungsbild einzufangen. Soll sich Minden an den Montags-Demonstrationen beteiligen, die seit vergangener Woche unter anderem auch in 24 NRW-Städten laufen? "Ja", meinten zumindest seine Zuhörer. Das Treffen am nächsten Montag soll dann offiziell als Demonstration angemeldet werden.

Bernd Mehrhoff macht klar: "Es geht uns dabei nicht um irgendwelche Nachbesserungen. Hartz IV muss ganz weg!" Der Attac-Sprecher hält die Arbeitsmarktreform schlicht für eine "völlig falsche Maßnahme". Seiner Ansicht nach kann die deutsche Wirtschaft nur wieder in Gang kommen, wenn man Kaufkraft und Nachfrage im Land steigert. "Und das passiert nicht mit dem Arbeitslosengeld II. Wer davon leben muss, dreht jeden Cent dreimal um."

Herbert G. (Name von der Redaktion geändert) kann das bestätigen. Der 54-jährige ist zwar (noch) kein Attac-Mitglied, hängte sich aber gestern spontan auch eine Spruchtafel um den Hals. Der Mann ist hochqualifiziert: Kaufmännische Ausbildung, betriebswirtschaftliches Studium, etwa 20 Jahre lang leitender Angestellter. 2002 machte seine Firma dicht, seitdem ist er ohne Job. Mit einer Ich-AG, die sich auf Webdesign spezialisiert hatte, ist er nach einem dreiviertel Jahr gescheitert. Wie viele andere Arbeitslose auch hat er einen Stapel Absagen auf seine Bewerbungen zu Hause liegen. "In den Absagen steht, ich sei überqualifiziert. Keiner schreibt: Sie sind zu alt. " Wenn er ab Januar das neue Arbeitslosengeld II bezieht, bedeutet das für ihn 345 Euro pro Monat.

"Bis in die Mittelschichten hinein schürt Hartz IV Angst vor Erwerbslosigkeit und sozialem Abstieg", glauben die Leute von Attac. Der Bundesregierung und den Arbeitgeberverbänden gehe es vor allem darum, die Lasten der globalen Standortkonkurrenz auf die Beschäftigten und auf Erwerbslose abzuwälzen. Eine fatale Wirkung sei, dass die ,unsoziale Politik" der Agenda 2010 Rechtsradikalen Auftrieb gebe: "Harzt-Infarkt ist tödlich für die Demokratie", heißt eines der Transparente.

Um die künftigen Montags-Demonstrationen vorzubereiten, ist ein Treffen am kommenden Donnerstag, 26. August, geplant. Wer sich beteiligen möchte, kommt um 19 Uhr in die Räume der Aktionsgemeinschaft Friedenswoche (FriWo) an der Alten Kirchstraße 1a. Ansprechpartner für alle Aktionen ist Attac-Sprecher Bernd Mehrhoff, Telefon (0571) 3 72 54. Seine E-Mail-Adresse: b.mehrhoff@t-online.de


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