Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische ,
10.10.2003 :
Kreis wehrt sich im Fall Demir / "Wir haben keinen parteiischen Gutachter engagiert"
Von Thomas Dohna
Kreis Herford. Dass der flüchtige Löhner Kurde Ömer Demir abgeschoben werden könnte, damit hat Kreisdezernent Paul Bischof selbst nicht gerechnet. Grund für die Abschiebung ist ein Gutachten eines Psychiaters aus der Nähe von Lippstadt. "Er ist uns auf informellem Wege vom Verwaltungsgericht Minden empfohlen worden." Vor einiger Zeit hatte die versuchte Abschiebung des Löhner Schülers Mehmet Demir, eines Sohnes von Ömer Demir, hohe Wellen geschlagen.
Der Gutachter hatte dem abgelehnten Asylbewerber Reisefähigkeit bescheinigt, anders als seine Kollegen des Herforder Kreisgesundheitsamtes in den Jahren zuvor. Die hatten schlechte seelische Gesundheit als Abschiebehindernis anerkannt.
Herforder Flüchtlingshelfer halten den aus der Türkei stammenden Gutachter für nicht neutral. "Es ist bekannt, dass er sich gegenüber Kurden nicht neutral verhält", sagt der Arzt Dr. Winfrid Eisenberg. Dezernent Bischof will das nicht gewusst haben:
"Wir haben nicht nach einem Türken als Gutachter gesucht"
"Wir wollten einen Arzt beauftragen, der nicht aus dem eigenen Hause kommt, falls Ömer Demir die Reisefähigkeit bescheinigt werden sollte." Über die Vorgeschichte des Gutachters sei ihm nichts bekannt. Ihn habe überzeugt, dass der Mann in der forensischen Klinik Eickelborn und in der Abschiebehaftanstalt Büren regelmäßig mit Gutachten betraut sei. "Wir haben nicht nach einem Türken als Gutachter gesucht."
Ein Bielefelder Psychiater kennt den Arzt. "Er nimmt seine Sache sehr ernst." Ee komme zwar schnell zu ablehnenden Gutachten, das seien aber keinesfalls Gefälligkeiten gegenüber den Ämtern. "Er ist von seinen Ergebnissen überzeugt." Allerdings, so sagt der Bielefelder Arzt, sei der Gutachter sich seiner "Verstrickungen" als Türke gegenüber Kurden möglicherweise nicht bewusst. "Er versucht der Türkei und Deutschland gegenüber gleichermaßen loyal zu sein." Der Arzt stehe auf dem Standpunkt, dass Gutachter gestellte Fragen beantworten müssen, gleich ob die Folgen aus der Antwort für die Betroffenen tragisch sind oder nicht.
Dezernent Bischof sieht sich und seine Mitarbeiter in einem engen Korsett. Eigentlich müsse das Bundesamt für Asyl in einem Gutachten den gesundheitlichen Zustand eines Asylbewerbers feststellen lassen. "Das macht es aber nicht."
"Wenn Gerichte Gutachten anforderten, hätten wir nicht diese Probleme"
Auch die Verwaltungsgerichte könnten eigene Gutachter bestellen. Auch das geschehe nicht. Stattdessen würden sie die Gutachter der Ämter und die Privatgutachten der Betroffenen heranziehen. "Wenn Gerichte oder das Bundesamt Gutachten anfordern würden, hätten wir hier vor Ort nicht das Problem, immer wieder die Leute untersuchen zu müssen."
Zum anderen gebe es Weisungen aus dem Innenministerium. Die Lageberichte des Außenministeriums, und nur die, seien als Grundlage für eine Entscheidung, ob in ein Land abgeschoben werden darf, erläutert Bischof. Bescheinige der Lagebericht, dass die Gesundheitsversorgung gut sei, müsse auch bei gesundheitlichen Problemen abgeschoben werden. Auch wenn von Nicht-Regierungs-Organisationen andere Erkenntnisse vorliegen sollten.
Ömer Demirs Aufenthalt in Deutschland sei nur dann weiter möglich, wenn ein Amtsarzt feststellen würde, er ist nicht reisefähig, sagt Bischof.
Ömer Demir und sein Sohn Ali sind seit ihrer versuchten Abschiebung verschwunden. Ihre Klage dagegen liegt zurzeit beim Oberverwaltungsgericht Münster. "Wenn die beiden nicht wieder auftauchen, wird das Verfahren eingestellt", sagt ihr Anwalt Reiner Hofemann.
Sollten sie sich stellen, könnten Anwalt, Gericht oder Kreis einen weiteren Gutachter beauftragen. Für diesen Fall will Dezernent Bischof genau hinschauen, wer sich Ömer Demir anschaut. Einen Gutachter aus einer besonders scharfen Behörde wird er wohl nicht wählen.
lok-red.herford@neue-westfaelische.de
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