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Neue Osnabrücker Zeitung , 30.05.2002 :

Innenminister erklärt Lager Hesepe zur Chefsache

Von Dietmar Kröger

Hesepe. Minister Heiner Bartling hat die Landesaufnahmestelle in Hesepe zur Chefsache erklärt. Das bestätigte gestern ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Vorausgegangen waren diverse Gespräche in den letzten Monaten zwischen den Beteiligten vor Ort, Präventionsrat, Stadt, Landkreis und der Polizei, mit Vertretern des Ministeriums über die Probleme und die zukünftige Belegung des ehemaligen Grenzdurchgangslagers. Im Zuge dieser Gespräche war vor wenigen Tagen öffentlich geworden, dass in Hannover Überlegungen angestellt werden, die Zahl der in Hesepe untergebarchten Asylbewerber von 200 auf 400 zu verdoppeln.

Dieses Planspiel platzte gerade in eine Zeit, in der Vertreter der vor Ort mit dem Lager befassten Institutionen in der Landeshauptstadt vorstellig geworden waren, um die ausufernden aktuellen Probleme in den Griff zu bekommen. Eine hohe Kriminalitätsrate, vor allem im Bereich der Drogen- und Beschaffungskriminalität, aber auch Konflikte im Lager selbst, waren Auslöser für den Gang nach Hannover.

Die Bramscher Polizei musste im vergangenen Jahr 400 Vorgänge bearbeiten, die in direktem Zusammenhang mit dem Lager und den dort lebenden Asylbewerbern standen. Darunter fallen auch zeitaufwendige Abschiebungen. Andere Probleme wie die Beschulung der Kinder und Jugendlichen aus dieser Personengruppe sind ein weiterer Gesichtspunkt in der Kritik an der Ist-Situation in Hesepe.

Gespräche mit Vertretern des Ministeriums, geführt unter anderem von der SPD-Landtagsabgeordneten Bernadette Schuster-Barkau und dem Sprecher des Bramscher Präventionsrates, Jan Rathjen, hatten bislang nicht gefruchtet. Im Gegenteil: Die Fronten schienen sich zu verhärten. Auf der einen Seite das Bemühen, wenigstens den derzeitigen Problemen abzuhelfen, auf der anderen Seite, so Rathjen über die Gesprächssitution, das Bestreben, Problemlösung und Aufstockung in ein Paket zu schnüren.

Auch sei Rathjen zufolge "durch die Blume" mit der Schließung des Lagers und dem Verlust der Arbeitsplätze gedroht worden. Diesen Eindruck bestätigte Bürgemeisterin Liesel Höltermann, die noch am Montag gemeinsam mit der Sozialdezernentin des Landkreises, Sonja Gartemann, ein Treffen mit Ministeriumsvertretern im Kreishaus hatte. Auch hier sei letztendlich, wenngleich verhalten, mit der Schließung des Lagers argumentiert worden. "Auf Deutsch gesagt: Die wollten uns erpressen", so Höltermann. In der Sache habe es dagegen kaum ein Fortkommen gegeben.

Gegenüber unserer Zeitung räumte zunächst Staatssekretär Werner Lichtenberg gestern "dringenden Handlungsbedarf" ein: "Der Zustand, den wir haben, ist nicht ordnungsgemäß." Er nannte drei Punkte, die "möglichst schnell" abgearbeitet werden müssten: bauliche Veränderungen, bessere Kontrollen und soziale Betreuung sowie "ein paar mehr Polizeibeamte". Dies seien die Punkte an denen derzeit konkret gearbeitet werde, über eine Aufstockung werde lediglich nachgedacht.

Allerdings vergaß auch Lichtenberg nicht darauf hinzuweisen, dass der Landesrechnungshof die Relation Kosten-Auslastung für Hesepe bemängelt habe. Man wolle aber an dem bisherigen Konzept der zentralen Unterbringung der abgewiesenen Asylbewerber, wie sie fast ausschließlich in Hesepe untergebracht sind, festhalten.

Auf Anfrage bestätigte dann am Abend ein Sprecher des Innenministers, dass Heiner Bartling die Landesaufnahmestelle zur "Chefsache" erklärt habe. Ausschlaggebend hierfür sei ein Brief von Heinz Eberhard Holl gewesen, in dem der Oberkreisdirektor unter Bezug auf das Gespräch von Gartemann und Höltermann am Montag noch einmal nachdrücklich auf die Problematik vor Ort hingewiesen hatte.

Am Montag will sich der Kreistag mit dem Thema beschäftigen. Spätestens bis zu dieser Sitzung solle Holl das Antwortschreiben Bartlings vorliegen, das alle Beteiligten "zufriedenstellen werde", wie Ministeriumssprecher Klaus Engemann versicherte. Nähere Angaben zum Inhalt des Schreibens wollte er nicht machen. Es bleibt also abzuwarten, ob die Aufstockung vom Tisch ist und die bestehenden Probleme nun tatsächlich abgearbeitet werden.


f.wiebrock@neue-oz.de

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