Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische ,
10.10.2003 :
Erst Folter, dann das Asylrecht / Georgier David Kapadnadze verbrannte sich nach Kampf um Asyl-Anerkennung
Von Thomas Dohna
Herford. David Kapadnadze war ein humorvoller Mensch, sagen die, die ihn gekannt haben. Sogar als es ihm schlecht ging, als er Angst hatte, dass sein Sohn nach Georgien abgeschoben werden könnte. Dorthin, wo im Juni zwei seiner Neffen unter ungeklärtenUmständen erstochen worden sind. Bis zuletzt habe David Kapadnadze seinen Wortwitz noch blitzen lassen, sagt Konstantin Gamsachurdia. David Kapadnaze hat sich am 23. September in Hiddenhausen selbst verbrannt (die NW berichtete).
Der 51-Jährige hatte Betriebswirtschaft studiert. Er war Mitglied in der Partei Sviad Gamsachurdias, des ehemaligen Präsidenten Georgiens. "Wir wollten damals Unabhängigkeit und Demokratie für unser Land erreichen", sagt der 42-jährige Gamsachurdia-Sohn Konstantin, der sich selbst als unpolitischen Staatsbürger beschreibt. Sein Vater errichtete bald nach seiner Wahl ein diktatorisches Regime, so ein Bericht der Menschenrechtsorganisation "Human Watch".
David Kapadnadze wird 1991 in die Kommissionen für Wirtschaft und Soziales der neuen Regierung berufen. "Er war sehr aktiv und beliebt", erinnert sich Konstantin Gamsachurdia. Mehrmals habe er von seinen Vater Aufträge erhalten. Dann auch mehrmals Angebote für höhere Posten bekommen, die Kapadnadze jedoch nicht annahm. "Er wollte weiter direkt für die Menschen arbeiten", sagt Gamsachurdia.
1992 setzte sein Vater sich nach Kämpfen in der georgischen Hauptstadt Tiflis nach Armenien ab. David Kapadnadze verlor seinen Posten, gründete eine kleine Zeitung und wurde immer wieder von der Polizei abgeholt. Ärzte diagnostizierten später Schäden an den Nieren, durch Schläge verursacht, Kapadnadze floh 1999 nach Deutschland, durch seine Erlebnisse schwer traumatisiert. "Manchmal hat er geglaubt, sein Folterer sitze neben ihm", berichtet amnesty international-Mitarbeiter Horst Jeromin, der Kapadnadze im Jahr 2000 kennen lernt. Freie Gutachter und Amtsärzte diagnostizierten eine "Posttraumatische Belastungsstörung" (PTBS) einschließlich der Gefahr einer Selbsttötung. Ein Arzt hielt eine ungestörte Behandlungsdauer von drei Jahren für notwendig.
Das Bundesamt für Asyl glaubte David Kapadnadze, der Bundesbeauftragte für Asyl jedoch nicht - aus Prinzip. Er soll dafür sorgen, das die Entscheider im Bundesamt das Asylrecht nach einheitlichen Maßstäben anwenden. Deswegen klagt er, allerdings nur gegen für Flüchtlinge positive Entscheidungen.
Der Flüchtlingshilfeorganisation "Pro Asyl" ist kein Fall bekannt, bei dem der Bundesbeauftragte einen negativen Bescheid angefochten hätte. Das Bundesinnenministerium habe der ihm unterstellten Behörde 1999 deswegen eine Rüge erteilt. "Geholfen hat das nichts", dagt Marei Pelzer von "Pro Asyl".
Traumatisierte Personen blenden Teil ihrer Geschichte aus
David Kapadnadze vermochte den Richtern des Verwaltungsgerichtes Minden seine Geschichte nicht so plausibel zu erzählen wie dem Entscheider im Bundesamt. Ein normaler Vorgang, wie Psychologen sagen. Traumatisierte Personen blendeten Teile ihrer Geschichte aus, um nicht erinnert zu werden. Das Verwaltungsgericht gewährte ihm kein Asyl, stufte ihn nur als politisch-humanitären Flüchtling ein.
Kapadnadze musste jedes Vierteljahr zur Ausländerbehörde, um seine Aufenthaltsduldung zu verlängern. "Er hat jedesmal befürchtet, abgeschoben zu werden", sagt amnesty-Mitarbeiter Jeromin. Kapadnadzes Vermieter kann das verstehen: "Mein Vater saß im KZ Flossenbürg. Ich kann mich noch gut erinnern, wenn man jeden Tag Angst haben muss."
Im Juni kam die Nachricht vom Tod seiner Neffen. "Die Mörder sind bislang nicht gefunden", sagt Konstantin Gamsachurdian, der als Angestellter beim Schweizerischen Bundesamt für Flüchtlinge arbeitet. Niemand kümmere sich um die Aufklärung, weder Polizei noch Staatsanwälte. Überhaupt sei die staatliche Verfolgung Andersdenkender in Georgien sehr subtil.
"Man bekommt irgendwann einmal Besuch von Kriminellen", erzählt er. Ein Bekannter müsse als Schulleiter ständig einer Kommission Rede und Antwort stehen. Konstantin Gamsachurdias Brüder leben in Georgien, einer hat eine führende Stellung in der Polizei inne. "Wenn man politisch absolut loyal ist, kann man in Georgien leben", sagt der Ex-Präsidentensohn.
Im Juli erging vom Herforder Kreisausländeramt die Ausweisungsverfügung für David Kapadnadzes 18 Jahre alt gewordenen Sohn. Sein Vater wurde immer stiller, hantierte mit Feuer und Benzin. Bis er am 23. September zur Tankstelle Hempelmann an der Bündener Straße ging, sich Benzin besorgte und über Kopf und Körper goss. Dann, im Vorgarten seiner Wohnung, steckte er sich an.
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