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Grafschafter Nachrichten ,
19.08.2004 :
Proteste gegen Aufnahmestelle / Asyl: Kritik an Einrichtung in Bramsche wird lauter – "Größtes Abschiebelager"
Von Thomas Strünkelnberg
Gegen die Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Bramsche formiert sich Protest. Die Einrichtung sei das "größte Abschiebelager" Deutschlands, sagen die Kritiker.
Bramsche. "Es ist vorbei", sagt Flüchtlings-Betreuerin Ruth Gerdes in der Landesaufnahmestelle in Bramsche bei Osnabrück. Der Mann ihr gegenüber, Ratko Muratowic aus Montenegro, lässt den Kopf hängen – er muss Deutschland endgültig verlassen. "Jetzt muss ich meine Frau und meine Kinder zurücklassen", sagt er bitter. Seine vier Kinder und Ehefrau Nevenka Seydovic, deren Asylverfahren noch läuft, wirken bedrückt. Dienststellenleiter Conrad Bramm bedauert die Menschen: "Wir wollen helfen. Aber es gibt keinen Königsweg." Doch die Kritik an der Einrichtung wird lauter, der niedersächsische Flüchtlingsrat fordert gar die Auflösung.
Ausgelöst hatte die Proteste ein Brief tschetschenischer Flüchtlingen – sie beklagten sich über die Unterbringung. "Die Bewohner wollen den Transfer in Gemeinden, sie verbinden damit eine Bleibeperspektive", erklärt Bramm. "Die Tschetschenen gehören eigentlich nicht zu unserer Klientel, sie haben eine gewisse Chance, in Deutschland bleiben zu dürfen."
Denn zu 95 Prozent seien die 510 Bewohner aus 27 Nationen abgelehnte Asylbewerber. Vorrangiges Ziel sei die Förderung der freiwilligen Ausreise - eine Absicht, die den Flüchtlingsrat oder den Osnabrücker Verein Avanti auf die Barrikaden treibt: "Das ist vollkommen indiskutabel für Menschen, die mit begründeten Hoffnungen im Asylverfahren sind", sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat.
Hildegard Winkler vom Verein Avanti geht noch weiter: Als das "bundesweit größte Abschiebelager" bezeichnet sie die Einrichtung. Unterbringung und Essen seien zudem schlecht. Bramm weist die Vorwürfe zurück: "Wir sind kein Luxushotel, ganz klar", sagt der 52-Jährige. Je vier Menschen einer Nation seien in 27-Quadratmeter-Zimmern der ehemaligen Kaserne untergebracht, Familien in größeren Räumen. Der 29 Jahre alte mazedonische Familienvater Demir Demirovski bestätigt, die Zimmer seien "in Ordnung". Allerdings: "Die Küche stinkt, und es ist besser, einfache Dinge zu essen, die dafür selbst gemacht sind. Aber die Sozialarbeiter helfen uns wirklich."
"Wir sind enttäuscht von den vielen Unterstellungen und Verleumdungen", sagt dagegen Bramm. Damit werde die Ausländerfeindlichkeit der Bevölkerung geschürt. Dabei sei die Zusammenarbeit mit der Stadt Bramsche gut: Asylbewerber hätten etwa die Türen der Grundschule im Ortsteil Hesepe neu gestrichen. Die Stadt ihrerseits habe drei zusätzliche Lehrer eingestellt, die den Kindern in der Lagerschule Sprachkenntnisse vermitteln, sagt Grundschulleiter Henry Albowsky. "Der Vorwurf der Ausgrenzung stimmt nicht", betont er.
Doch der montenegrinischen Familie hilft das nicht. "Es ist eine dumme Situation, aber rechtmäßig", erklärt Gerdes. Vor zwei Wochen sei die Familie nach Bramsche gekommen, doch der Familienvater habe schon 1992 in Hamburg einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde abgelehnt. Er sollte abgeschoben werden, ging aber freiwillig nach Jugoslawien. 1997 kam er mit seiner Frau nach Deutschland, hätte aber "gar nicht kommen dürfen", erklärt Gerdes. "Jetzt geht er freiwillig zurück, bekommt aber so schnell keine Papiere. Wir versuchen, ihm dazu zu verhelfen."
Gerdes und ihre Kollegin Elke Gansel verstehen die Proteste nicht: "Wir würden uns wünschen, dass solche Gruppen nicht gegen uns arbeiteten, sondern mit uns", sagt Gansel. Stattdessen: "Die Leute werden mit Falschinformationen gefüttert. Sie glauben, sie könnten bleiben, wenn sie in einer Gemeinde leben. Das ist aber nicht der Fall."
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