Lippische Landes-Zeitung ,
27.07.1990 :
Schülerstraße wird Asyl-Brennpunkt in Salzuflen - Nachbarn aufgebracht über Belästigungen - Behörden ratlos / "So kann es einfach nicht weitergehen" / Anwohner sind über die "Slum-Bildung" entsetzt
Bad Salzuflen (JL). "Persönlich habe ich nichts gegen Ausländer, im Gegenteil, ich komme sogar gut mit ihnen zurecht", sagt Christine Werning mit Blick auf ein gutes Verhältnis zu türkischen Bekannten und Freunden. "Aber so, wie es im Moment mit den Asylanten aussieht, kann es einfach nicht weitergehen", empört sich jene Frau, die - wie ihre Nachbarn - direkt betroffen ist vom neuen Asylantenwohnheim "Erich-Kästner-Schule" in der Schülerstraße in Schötmar.
Seit etwa sechs Wochen könne sie, so Christine Werning im Gespräch mit der LZ, "keine Auge mehr schließen". Nun sei sie mit ihrer Gutmütigkeit und Toleranz langsam am Ende. Ihre prekäre Situation schildert sie wie folgt: "
"Den Anwohnern und Nachbarn wird das Wohnen zum Alptraum. Keifende Frauen, brüllende Männer, schreiende Kinder bis in die späte Nacht hinein." Statt Toiletten und herkömmliche Möglichkeiten zur Beseitigung von Unrat würden von den Übergangsheim-Bewohnern Gehwege, Anlagen und Gärten der Nachbarn genutzt. Das Öffnen der Fenster sei nicht mehr möglich, da der Gestank von Müll und Fäkalien unerträglich in der Luft hänge.
Allabendliche Schlägereien und Streitigkeiten mit immer mehr Alkoholkonsum gehören zur Tagesordnung, berichtet die erzürnte Anwohnerin der Schülerstraße weiter. "Die Dreistigkeit und Frechheit der Roma nimmt erschreckende Formen an, so dass alle Anwohner um ihre Sicherheit besorgt sind."
Durch die "massive Unterbringung von Asylbewerbern" gewinne man den Eindruck, dass für die Stadtverwaltung Bad Salzuflen an der Grenze zu Schötmar aufhöre. Bestärkt werde dieser Eindruck durch die "Impertinenz" einzelner Dienststellen bei Beschwerden der Nachbarn über das Ausmaß der Belästigungen in der Schülerstraße. Da werde zum Beispiel auf berechtigte Klagen repliziert: "Fühlen Sie sich etwa durch die Unterbringung von Asylbewerbern gestört?"
Politiker und Verwaltungsbeamte sollten wissen, mahnt Christine Werning, dass nicht "übelgesinnte oder herzlose Bürger", sondern Ausländergruppen wie die in der Erich-Kästner-Schule durch ihr anstößiges Benehmen einen "Hass auf alle Ausländer" entfachen und hochpeitschen.
Leider sind, um den Vorwürfen zu entgegnen, den Kommunalpolitikern und Behörden die Hände gebunden. Glücklich sind jene, die für soziale Entscheidungen in der Badestadt Verantwortung tragen, mit der in der Schülerstraße entstandenen Lage sicher nicht. Schnell reagieren und Ausweichplatz beschaffen, das scheint alles zu sein, was im Moment drin ist. Wenn die Zuweisung von höheren Stellen kommt, gibt es allem Anschein nach kein "Wenn und Aber".
Es werde bis jetzt noch zuwenig Geld lockergemacht und gebe nicht genügend Personal, um mit der Herausforderung fertigzuwerden, kritisiert die betroffene Bürgerin. Deshalb zählen für Christine Werning und die übrigen Schülerstraßen-Anwohner die angeblichen Sachzwänge, unter denen die Sozialbehörde stöhnt, nicht. "Wir leben in einer Zeit, wo jeder, der die Weltpolitik verfolgt, wissen sollte, dass wir in Zukunft mit immer mehr Ausländern leben müssen. Wo sind nun die Bevölkerungsgruppen, Kirchen und Politiker, die sich enorm stark für diese Randgruppen eingesetzt haben?" fragt sie. Jeder könne doch Familien oder Einzelpersonen aufnehmen und betreuen. "Aber humanes Reden und humanitäre Taten sind wohl zwei Paar Schuh."
Schlägerei mit blutigem Ende
Bad Salzuflen (gä/JL). Die Situation in der Schülerstraße spitzt sich zu. Bislang hatte die Stadt Bad Salzuflen und die Polizei alle Hände voll damit zu tun, den Asylbewerbern aus Rumänien Wohnraum zu beschaffen und den zahlreichen Diebstahlmeldungen nachzugehen. Jetzt sei der "offene Krieg" zwischen verschiedenen südosteuropäischen Volksstämmen ausgebrochen, wie Salzuflens Kripochef Martin Grigat der LZ auf Anfrage erläuterte.
"Schwarzer Peter" wird ...
In die Wolle geraten sind sich rumänische Asylanten und Asylbewerber aus dem Nahen Osten in der Gemeinschaftsküche der Erich-Kästner-Schule. Nachdem es Mittwoch abend bereits zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen war, eskalierte der Konflikt gestern mittag. Die Streithähne gingen mit Knüppeln aufeinander los und traktierten sich gegenseitig mit Betonplatten. Ergebnis: Zwei Verletzte mussten mit dem Krankenwagen ins Kreiskrankenhaus Schötmar transportiert werden.
"Ich lege größten Wert darauf, dass die Konfliktgruppen getrennt werden, sonst bekommen wir hier bald Mord und Totschlag", warnte Erster Kriminalhauptkommissar Grigat. Er hatte sich bereits an die Stadt gewandt, und ihm ist signalisiert worden, dass man nach einer Trennungslösung suche.
Die rumänischen Asylbewerber zogen nach dem blutigen Streit in großer Schar erbost zum Rathaus, um beim Sozialamt Hilfe vor ihren "Gegnern" zu ersuchen. Wer allerdings in der Angelegenheit der "Schuldige" ist, wird wohl ein Geheimnis der Wohnheim-Bewohner bleiben, die sich den "Schwarzen Peter" gegenseitig zuschieben.
... hin und hergeschoben
Nachbarn aus der Umgebung der Schülerstraße lief angesichts der "Völkerwanderung" der Rumänienflüchtlinge zum Rathaus die Galle über, und sie machtem ihrem Ärger, der sich über Wochen hinweg aufgestaut hatte, Luft. Mit dem überschäumenden Temparement , das die Südländer mitbringen, wollen sie das anstößige und sogar ganz ungesetzliche Verhalten, welches jene an den Tag legen, auf keinen Fall entschuldigt wissen.
Wahrlich kein schönes Bild, wo sich Menschen, und seien sie noch so grundverschieden, auf diese Art und Weise auseinandersetzen müssen.
Salzuflen@lz-online.de
|