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Lippische Rundschau , 28.07.1990 :

Diese Woche / Von Karin Koteras-Pietsch

Die Mitarbeiter der Stadt und die Salzufler Polizei sind in diesen Tagen wahrlich nicht zu beneiden. Mit den wachsenden Problemen, die der tagtäglich zunehmende Strom der Asylanten aus Rumänien mit sich bringt, sind die meisten von ihnen überfordert. Nicht nur, dass all diese Menschen versorgt und untergebracht werden müssen, hinzu kommen auch noch die massiven Beschwerden der Salzufler Bevölkerung über die Roma.

Am vergangenen Donnerstag kam dann auch noch der erste "Knall". In der Erich-Kästner-Schule sind in getrennten Gebäuden Roma und Libanesen, zwei unterschiedliche Gruppen, die sich nicht unbedingt freundschaftlich gesinnt sind, untergebracht. Für beide Gruppen gibt's allerdings eine Gemeinschaftsküche. Und in dieser Küche sei es geschehen, so war von Kripo-Chef Martin Grigat zu erfahren, dass die Mutter eines Roma-Kindes einem Libanesen-Kind das T-Shirt ausziehen wollte, weil sie glaubte, dass das Hemd ihrem Sprößling viel besser stünde. Innerhalb weniger Minuten brach eine wilde Schlägerei mit Fäusten und fliegenden Betonplatten zwischen den beiden Gruppen aus. Der heftige Zwischenfall endete mit zwei verletzten Libanesen, die ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Gleich anschließend tauchte die ganze Gruppe der Libanesen bei Polizei und Sozialamt auf und bat um Schutz.

Die Stadt quartierte die libanesischen Asylbewerber vorerst einmal in der alten Berufsschule in der Nähe des Rathauses ein, ein Teil der Libanesen wurde gestern von der Polizei nach Berlin gebracht, wo sie gemeinsam mit weiteren Landsleuten untergebracht werden. Zur Erleichterung des Kripo-Chefs. Auch Grigat hatte darauf gedrängt, die Gruppen zu trennen. "Bevor es noch Tote gibt." Aber auch die Lösung mit der Berufsschule sei nur vorübergehend, so der stellvertretende Sozialamtsleiter Wolfgang Vögeding. Ebenso vorübergehend wird die Lösung sein, die die Stadt in der kommenden Woche anstrebt. Dann nämlich sollen die ersten Zelte zur Unterbringung der Roma aufgestellt werden. Ein Standort wird noch festgelegt, informierte Stadtdirektor Gerd Peter Hendrix.

Aber ist es nicht an der Zeit, nach konkreten Lösungen, statt immer nur nach provisorischen zu suchen? Sicher, die Roma kommen in Scharen, stehen plötzlich und unangemeldet vor der Tür des Sozialamtes. Schnelles Handeln der sowieso schon überforderten Mitarbeiter ist gefragt. Schließlich kann man die Menschen nicht einfach auf der Straße stehen lassen.

Aber ist das schnelle Ausgeben großer Summen für provisorische Unterbringungen das beste? Was passiert denn, wenn die Temperaturen wieder sinken? Dann muss doch nach anderen Unterkünften gesucht werden. Das kostet wieder Geld, und die Zelte stehen leer. Und kann nicht der Glaube daran, dass sich das Zustrom-Problem bis zum Herbst gelöst hat, nur eine Hoffnung bleiben? Was passiert denn, wenn zwar weniger Roma kommen, dafür aber Flüchtlinge aus anderen Ländern in Bad Salzuflen eine neue Heimat suchen? Für solche Fälle sollte doch in Form neuer Wohnungen Abhilfe geschaffen werden.

Die Wohnungsnot ist aber letztlich nicht die einzige und gravierende Sorge der Salzufler Bürger. Die Unruhe, die die Roma in die Stadt bringen, reizt die Bevölkerung bis an die Grenze ihrer Toleranz, die sie bislang jedem Asylbewerber gegenüber, ganz gleich welcher Herkunft er auch war, an den Tag legte. Den Dreck vor Haustüren, auf der Straße, in Parks, auf privaten Grundstücken und die ständigen Ruhestörungen besonders in der Schülerstraße durch nächtliche Feste und "tägliche" lautstarke Streitereien mag kaum noch jemand hinnehmen. Ob der Zaun, den Mitarbeiter des Grünflächenamtes um das Gelände der Erich-Kästner-Schule ziehen mussten - der im übrigen nicht gerade das Bild in dieser Gegend verschönert - und zusätzliche Reinigungskolonnen der Stadt helfen, die Grundstücke der Privatleute von Dreck und Fäkalien zu verschonen, wird sich zeigen. Hinzu kommen schließlich noch die massiven Belästigungen durch die Betteleien und die Angst der Bürger vor Diebstahl und Einbrüchen in ihre Häuser.

Mit dieser Situation wird kaum jemand auf die Dauer leben wollen. Ist es nicht nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Fremdenhass breit macht? Eine traurige Tatsache bleibt dann, dass es naheliegt, dass alle Asylbewerber in einen "Topf geworfen" werden. Ehrliche, anpassungsfähige Menschen müssten unter dem Ruf leiden, den viele Roma durch ihr Verhalten geschaffen haben. Hier sind doch die Politiker, auch der Rat der Stadt Salzuflen, gefragt. Die Kommunen sollten auf die Kreise und die wiederum auf das Land einwirken. Mehr Personal sollte eingestellt werden, damit Asylverfahren beschleunigt werden. Parteien aller Farben haben sich bereits zur Problematik der Wirtschaftsflüchtlinge geäußert. Den Reden müssen Taten folgen. Die Abschiebung, die das Gesetz nach einem abgelehnten Asylantrag vorsieht, sollte auch durchgeführt werden.

28./29.07.1990
wb@westfalen-blatt.de

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