Lippische Landes-Zeitung ,
28.07.1990 :
50 neue Asylbewerber aus Rumänien in alter Erich-Kästner-Schule / Bei Ankunft Sturm auf das Rathaus
Bad Salzuflen (gä). Sturm auf das Rathaus: Gestern morgen kam eine Gruppe von rund 50 neuen Asylbewerbern aus Rumänien (großenteils Roma) in das Rathaus an der Rudolf-Brandes-Allee, um von der Stadt Bad Salzuflen Unterkommen, finanzielle Unterstützung und Arbeit zu verlangen. Sie seien vor wenigen Tagen mit dem Zug vor der dortigen Regierung geflohen, sagte einer, der ein bißchen Englisch konnte. Die Gruppe drang in so ziemlich alle Räume der Verwaltung ein, um ihrem Begehren Geltung zu verschaffen.
Als "höchst unerfreulich und bedrohlich" stufte Stadtdirektor Dr. Gerd Peter Hendrix die Situation im Gespräch mit der LZ ein. Denn für Bürger, die das Rathaus an diesem Morgen besuchten, habe die Aufführung der halben Hundertschaft neuer Asylbewerber eine "unzumutbare Belästigung" dargestellt. Gleichzeitig schränkte er jedoch ein, dass er - entgegen anderslautenden Gerüchten - persönlich nicht bedroht worden sei.
Mit dem Ausländerbeirat des Kreises sprach Hendrix geschwinde die Lösung ab, die Polizei zu holen und die ungebetenen "Rathausgäste" mit dem Bus nach Detmold transportieren zu lassen. Bevor die Polizei zum Einsatz kommen konnte, hatte sich die Gruppe jedoch bereits wieder "in alle Winde zerstreut".
Wie Anwohner der Schülerstraße der LZ gestern nachmittag mitteilten, sind die Neuankömmlinge inzwischen auch in der ehemaligen Erich-Kästner-Schule untergebracht, zusätzlich zu den - nach offizieller Schätzung - etwa 200 Roma, die dort bereits wohnen.
"Wir haben zusammen mit dem Ausländerbeirat des Kreises alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Ordnung wiederherzustellen", versicherte der Stadtdirektor im Gespräch mit der LZ mit Blick auf die jüngste Krisensituation in der Schülerstraße. Die Konfliktgruppen des Übergangswohnheims (Libanesen aus dem Nahen Osten auf der einen, Roma aus Rumänien auf der anderen Seite) sollen zügig getrennt werden. Zwar konnte Dr. Gerd Peter Hendrix gestern noch keinen genauen Standort für die "Trennungslösung" angeben, doch hinter vorgehaltener Hand ist in gutunterrichteten Kreisen ein alter Kotten auf dem Hof Brockschmiede (Ortsteil Werl, Straße Mühlenbrink) im Gespräch (Bildbericht links).
Auch die "Zeltlösung" werde nun forciert ins Auge gefasst, verriet der Stadtdirektor und bestätigte damit ein Konzept, das vom Salzufler Sozialdezernenten Dr. Wolfgang Honsdorf im LZ-Bericht vom Mittwoch, 25. Juli, in Aussicht gestellt worden war. Honsdorfs Vorhersage von Asylanten-Zelten auf der Hoffmanschen Wiese im Bereich Begakamp kann jedoch inzwischen als überholt gelten, wie Stadtdirektor Hendrix durchblicken ließ. Alternative Standorte stünden jedoch noch nicht fest.
An der ehemaligen Erich-Kästner-Schule soll sich auf jeden Fall etwas tun: Gestern hat der Stadtdirektor angeordnet, dass der Bereich um das Übergangswohnheim in der Schülerstraße zur Verhinderung hygienischer Mißstände regelmäßig greinigt wird.
Bad Salzuflen. Nachdem es in den vergangenen Tagen erneut zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Asylgruppen, Roma und Libanesen, gekommen war (die LZ berichtete), hat sich die Stadt Bad Salzuflen dazu entschlossen, lokale Trennungsmaßnahmen durchzuführen. Die Libanesen sollen das Übergangswohnheim in der Erich-Kästner-Schule im Ortsteil Schötmar verlassen und in anderen Unterkünften untergebracht werden. Hans Immanuel Herbers, Fraktionsvorsitzender der Grünen, empfindet die Lösung der Stadt jedoch als nicht sehr glücklich. Er bezeichnet sie den Libanesen gegenüber sogar als unfair. Seine Vermutung geht dahin, dass die Libanesen in einer Scheune des ehemaligen Hofes Brockschmiede im Stadtteil Werl untergebracht werden sollen. Die Zustände, die dort herrschten, seien "einfach menschenunwürdig", so Herbers weiter. Das Dach weist zahlreiche Löcher auf, es gibt keine Fenster und Türen. "Im übrigen sind nicht die Libanesen Schuld. Die Roma haben die eigentlich von Anwohnern als sehr friedlich empfundene ursprüngliche Asylgruppe aus der ehemaligen Erich-Kästner-Schule herausgeprügelt", umschreibt Herbers die Situation weiter.
28./29.07.2004
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