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Lippische Landes-Zeitung , 07.08.2004 :

Nicht nur wundern / "Kommandant kämpft um Rehabilitierung", LZ vom 2. August

Zum Verwundern ist es ja eigentlich: Ein Kapitän der Bundesmarine, dem die fahrlässige Tötung eines Rekruten vorgeworfen wird, verwahrt sich gegen die Einstellung des Disziplinarverfahrens, das gegen ihn eingeleitet worden war. Normalerweise wäre ein also Beschuldigter froh, wenn ein solches Verfahren gegen ihn niedergeschlagen würde. Was mag dem Fregattenkapitän daran liegen, dass sein Fall weiter verfolgt wird?

Die Angelegenheit ist durchsichtig: Nachdem Wolfgang Scheffelmeier die gegen seinen Sohn erhobenen Vorwürfe eindeutig widerlegen konnte, erscheint der Kapitän plötzlich als das schwächste Glied in der Kette und wird von seinem Arbeitgeber, dem Bundesminister der Verteidigung, im Regen stehen gelassen. Geschieht ihm recht, möchte man sagen, denn in einem Staat, in dem man gerade der Widerstandskämpfer vom 20. Juni 1944 gedachte, müsste inzwischen auch militärischer Ungehorsam in der Weise Schule gemacht haben, dass ein Kapitän sich weigert, mit einem Schiff auszulaufen, dessen Ausrüstung unvollständig bzw. nicht einsatzfähig und dessen Besatzung darum an Leib und Leben bedroht ist.

Der Kapitän schlussfolgert richtig: Eigentlich gehört weniger er auf die Anklagebank als vielmehr der Minister oder sein Staatssekretär oder wer immer die Sondergenehmigung zum Auslaufen einer maroden Fregatte gab - und sie immer noch unter Dampf hält. Aber so weit ist die Demokratie in unserem Lande offensichtlich noch nicht gediehen. Da wird lieber unter den Teppich gekehrt, und die Geschädigten - nicht nur dieser Kapitän, sondern auch verstrahlte und Krebs geschädigte Soldaten - gehen nicht nur leer aus, sondern müssen sich unter Umständen - wie auch Familie Scheffelmeier - noch eine Rufschädigung gefallen lassen.

Es kann nicht sein, dass das Vaterland noch im 21. Jahrhundert unter der Fahne der Demokratie in der Weise seinen Dank abstattet, indem es sich ständig der Verantwortung entzieht. Es wird Zeit, dass die öffentliche Meinung und auch die Presse sich auf breiter Front dieser Missstände annehmen, die zunächst auf der Ebene der Justiz und nun auch disziplinarrechtlich jedem gesunden Rechtsempfinden Hohn sprechen, Ein Trost darf dem Kapitän bleiben: Er lebt noch.

Walter Berchter
Heidrunweg 4
Detmold

07./08.08.2004
detmold@lz-online.de

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