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Lippische Landes-Zeitung , 27.01.2001 :

Gemeinde bietet Zuflucht / Kurdische Familie von akuter Abschiebung bedroht

Lage-Heiden (be). Seit zwölf Jahren lebt Familie Kurt in Deutschland. Damals fanden die Kurden in Solingen Zuflucht vor ständiger Verfolgung, der sie in der Türkei ausgesetzt waren. Jetzt droht Ehefrau Mekkye (32) und den drei Kindern Bassims (14), Yasmin (11) und Bahri (9) akute Abschiebung. Das Skurrile an dem Fall: Ehemann Ferhan (34) wird von den Behörden geduldet und darf zunächst weiter in der Bundesrepublik bleiben.

Um die Trennung der Familie zu verhindern, hat kurzerhand das "Ökumenische Netzwerk Asyl" (Köln) die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Heiden gebeten, der Ehefrau und den drei Kindern Kirchenasyl zu gewähren. Für Pastor Dieter Bökemeier keine Frage, denn schließlich hat seine Gemeinde Erfahrung damit. Im November 1998 fanden yezidische Kurden aus Georgien für sieben Wochen Zuflucht in Heiden.

"Der damals gegründete Unterstützerkreis wird jetzt wieder zusammenkommen, um organisatorische und rechtliche Fragen zu regeln", so Bökemeier. Rechtsanwältin Miriam Deis hat einen Eilantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht Düsseldorf mit dem Ziel gestellt, die Familie nicht auseinander zu reißen. Unklar ist bis dato, welcher Nationalität Ferhan Kurt ist. Er wurde genauso wie seine Frau Mekkye in Beirut/Libanon geboren. Als Kurden gehörten sie zu einer Minderheit, die eigenen Schilderungen zufolge ständig drangsaliert wurde. Das Ehepaar ging in die Türkei. Als der Mann zum Militär eingezogen werden sollte und er sich dagegen mit Händen und Füßen wehrte, erkannten ihm die Behörden kurzerhand seine mittlerweile erworbene türkische Staatsbürgerschaft wieder ab.

"Wir wurden in der Türkei ständig bedroht und beschimpft und haben es da nicht mehr ausgehalten", sagt Bassima Kurt, die perfekt Deutsch spricht und in Solingen die Hauptschule besucht hat. Ihre Geschwister Yasmin und Bahri können kein einziges Wort Türkisch, sie wurden in Solingen geboren und gingen bisher ebenfalls dort zur Schule. Vor zwei Jahren sollten die Kurts schon einmal abgeschoben werden, nachdem ihr Asylantrag verworfen worden war. Sie tauchten ab, zogen um und erreichten einen Aufschub des Verfahrens. Vater Ferhan, so erzählt seine älteste Tochter, wurde festgenommen und in die Türkei geflogen. Als Staatenloser verweigerten ihm jedoch die Behörden die Einreise, so dass er nach Solingen zurückkehren musste.

Das Kirchenasyl ist zunächst auf drei Monate angelegt. Pastor Bökemeier hofft aber, schon in drei bis vier Wochen Klarheit zu erhalten und der Eilantrag auf Duldung durchkommt. Bis dahin wohnen die Kurts in den beiden Zimmern des Gemeindehauses, die sonst der Krabbelgruppe vorbehalten sind. Vater Ferhan, der sich in Solingen um eine Arbeitsstelle bemüht, will seine Familie immer am Wochenende besuchen. Gegen die Langeweile der Kinder hat der Mädchenkreis der Kirchengemeinde jede Menge Rezepte. Er will sich um die Drei kümmern und sie ins benachbarte Jugendzentrum einladen.

Der Gemeinde entstehen Kosten für Nahrung, Kleidung und Rechtsvertretung. Dafür wird um Spenden gebeten auf das Konto der Kirchengemeinde Heiden, Nummer 301085, bei der Sparkasse Detmold, Bankleitzahl 476 50130, Stichwort "Kirchenasyl".


Lage@lz-online.de

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