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Bündnis für einen antideutschen Antikapitalismus Bielefeld (BAAB) , 31.07.2004 :

Reflexionen zu linker/alternativer Bewegung in Bielefeld und anderswo (Blindflug)

Auch wenn Spannungen gelockert erscheinen sind sie noch lange nicht gelöst. Eine ernst gemeinte Problemlösung kann sich nicht in oberflächlichen "Alles wird/ist wieder in Ordnung"-Geseiere erschöpfen. Aber gerade das ist eines der Hauptprobleme. Schließlich, wer möchte nicht, dass wenigstens die Rückzugsnische der eigenen Subkultur eben als solche erhalten bleibt. Eine tiefere Auseinandersetzung findet nicht statt. So tümpeln alle blinden Auges im Sumpf ihrer armseligen Existenz herum. Ohne Bewusstsein pendelt Mensch zwischen Schmerz und Langeweile, zwischen punkthaften Augenblicken gestillten Triebs und endloser Sucht.

Vor diesem Hintergrund ist es ein großer Segen, dass nicht alles reibungslos verläuft (was durchaus möglich wäre), sondern dass immer wieder Anlässe gegeben sind vor den Spiegel zu treten und sich die Brille der Reflexion aufzusetzen. Es mag sein, dass dieses Urteil über die allgemeine Haltung sehr überzogen erscheint (niemand reflektiert nie, außerdem ist jede verschieden) und doch sind auch jene, welche dauerhaft schon länger in Gruppenzusammenhängen bestehen hiermit gemeint

Ist das sich gehen lassen eine Trotzreaktion darauf, dass sowieso nie was funktioniert oder funktioniert nichts, weil sich alle gehen lassen? Die Bedeutung dieser Frage ist eher gering, in Anbetracht dessen, dass es darauf ankommt beides in Trümmer zu hauen.

Neben dem sozialen Bereich (also so zwischenmenschliches – Redeverhalten ... ) in Gruppenzusammenhängen, welcher hier der Einfachheit halber in die Emo-Schublade gesteckt wird, gibt es den kooperativen, die rationale Schublade. Natürlich lässt es sich bei aller Vereinfachung nicht leugnen, dass beides ein Ganzes ist. Egal:

Kooperation - Die Zusammenarbeit also in jedem Sinne auf ein gemeinsames Ziel hin. Dieses klappt allzu oft nicht und die Reaktionen sind allzu bekannt, wie da wären: Resignation und Rückzug, Distanz, blinder Tatendrang, naiver Optimismus ... Alle zusammen schaffen es dabei prima, die eigentlichen Probleme zu ignorieren. Keine jener Optionen erscheint wünschenswert. Alle Optionen sind blind.

Es ist nicht besser irgendwas zu tun, als nichts. Wenn kein überlegtes und bewusst gewolltes Projekt zustande kommt ist es daran dies zu ändern und mit Nichten diesen Zustand zu akzeptieren und evtl. noch irgendeine Prollaktion zum Abbau seiner Aggressionen, die mitunter aus diesem Zustand erwachsen, auszuführen!

Ein großes Problem hinsichtlich der Option auf bewusstes und gewolltes Handeln, bleibt allzu oft die Unklarheit über die Standpunkte anderer. Dies ist schlicht und einfach logische Folge auf fehlende inhaltliche Auseinandersetzungen. Der kleinste gemeinsame Nenner reicht nicht aus, eng zusammen wirken zu können, sich weiter zu entwickeln und gar Einfluss auf "die linke Szene" oder darüber hinaus (inhaltlich) zu haben. Wie sollen denn Gemeinsamkeiten und erstrecht Differenzen in der "Haltung zur Weltrevolution und dem ganzen Rest" erkannt werden wenn die verschiedenen Standpunkte überhaupt nicht zur Sprache kommen?

Über Emanzipation und Verantwortung

Emanzipation ist Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit, eine Verselbständigung, also eine Befreiung seiner selbst von innen heraus. Diese Befreiung kann nur bewusst funktionieren. Alleine durch das vermeintliche. Ausklinken aus dem Staatsapparat und dem ökonomischen Verwertungsprozess findet eine solche Befreiung nicht statt. Ebenso wie es letztlich ja auch gar nicht möglich wird sich total auszuklinken, können mit solchen Versuchen auch nur ab und an emanzipative Schübe verspürt werden (allzu oft läuft das dann aber wohl unter dein Motto ein Schritt vor, zwei Schritte zurück). Es muss gefragt und erkannt werden, wovon Mensch sich losreissen muss und wozu und dass das, was herrscht auch im Kopf selbst sich befindet. Zu diesem Zweck ist Selbstkritik das wichtigste Mittel, denn wie will jemand frei sein, wenn sie den sozialisierten Zustand ihrer Unfreiheit nicht in Frage stellt? Es verhält sich aber mit nahezu allen Menschen so, dass sie viel leichter zu Kritik bei anderen fähig sind, als bei sich selbst. Das ist mit der Schwierigkeit verbunden, neben sich treten zu käme und seine selbstverständlichsten Eigenschaften zu prüfen. Dieser Fähigkeit geht bereits Emanzipation voraus. Deshalb ist es wichtig, Kritik von Außen aufzunehmen. Das, worauf wir hinauswollen ist: Das Verhalten der anderen ist hinterfragbar und muss hinterfragt werden. Nicht im Sinne eines großen Bruders, der alle auf das Gruppendogma überprüft. sondern so, dass die Kritik ein gegenseitiges Weiterkommen in der Befreiung von ideologischen und ressentimentgeladenen Denkarten (also das warenförmige, rassistische, sexistische, antisemitische ... ) erreicht. Das in etwa verstehen wir unter Emanzipation in Gruppenzusammenhängen.

Dialektik vs. Einheitsbrei

Die Beliebigkeit der verschiedenen Ansichten innerhalb einer Gruppe wird oft mit Individualität und Anarchie verwechselt. Jede denkt was sie will, hauptsache, es entsteht kein Konsens (Einheitsmeinung: Pfui!). Diese Ansicht praktiziert führt zwangsläufig zur Stagnation (wenn keine Einflüsse von Außen dazu kommen). Es ist gut und unabdingbar Widersprüche zu haben, ja sogar zu produzieren. Es ist aber auch die Konsequenz aus diesen Widersprüchen zu ziehen, selbige zu einer Synthese zu ziehen, also sie aufzulösen. Auf einer höheren Ebene bilden sich durch die aus der Synthese neu gewonnene Erkenntnis wieder neue Widersprüche usw. Deshalb dürfen verschiedene Meinungen nicht einfach ungeachtet nebeneinander stehen. Es muss versucht werden, eine gemeinsame Meinung zu formen (die natürlich nicht zum Dogma verhärten darf). Die Entwicklung eines gemeinsamen Standpunktes muss entstehen.

Aus den Sphären der Theorie zurück auf den Boden der Realität

Das ganze Gelaber ist natürlich total hohl, wenn es keinen Bezug zur Praxis hat. Deshalb muss bei allem Wollen klar gestellt werden, wo die Grenzen des möglich Leistbaren bei jeder Einzelnen sind. Wie tief man sich mit der Gruppe auseinandersetzen will, hängt neben den Ansprüchen auch von dem einfachen Faktor Zeit ab. Auch wieviel von seiner Energie Mensch in die Gruppe stecken will, muss klar sein, um sich keine Illusionen beim Start des Fluges zu machen. Durch eine ehrliche und realistische Einschätzung kann einem ein unangenehmer Absturz erspart bleiben.

Standpunkte klar machen

Natürlich wird das alles umso schwieriger desto größer die Gruppen sind. In Hausversammlungen sog. "autonomer Zentren" etwa. Deshalb bleibt es aber umso wichtiger, sollen solche Gruppen/Zentren nicht in Stagnation verfallen. Und wenn klar ist, dass bestimmte Personen einfach nur so abhängen wollen, ohne was verändern zu wollen, ohne den Laden in Richtung "Emanzipation und Verantwortung" herumzureissen, dann kann sich damit abgefunden werden und Enttäuschungen oder scharfe Kritik bleiben erspart. Diese Personen sind dann aber eben aus der Verantwortlichkeit und dem Emazipationsprozess (sollte er denn stattfinden) in gewissem Sinne ausgeschlossen, aus kleineren Gruppen gegebenfalls auch komplett auszuschließen. Natürlich ist uns bewusst, dass die Ansprüche bzw. Erwartungen an die HV des AJZ Bielefeld bspw. eine ganz andere ist/zu sein hat als jene an kleinere (freiwillige) Zusammenhänge. Während wir als BAAB z. B. eine ernstgemeinte "solidarische Haltung zu Israel" als Voraussetzung für bewusstes, gemeinsames Handeln als eine wichtige Voraussetzung haben, wäre erstmal klar, das solch ein Anspruch an ein Autonomes Haus utopisch wäre. Um nun aber innerhalb des AJZ (um bei jenem Beispiel zu bleiben) eben auf jenes (selbst-)kritische Verhalten zu stoßen, welches wir in Emanzipation und Verantwortung meinten, müsste es zumindest möglich und erwünscht sein, während des Krieges etwa, nicht nur die tumbe deutsche Friedensbewegung und deren Antiamerikanismus zu featuren (wie z. B. als sich Hip-Hop-Bands gegenseitig in übelstem Antiamerikanismus battelten), sondern ebenso kritische Stimmen zur "deutschen Friedensbewegung", Antiamerikanismus und Antisemitismus zu Wort kommen zu lassen. Aber - nada. Ebenso wäre es wohl angebracht, gerade nach Hausverboten nach sexistischem Verhalten und in jenem Rahmen durchaus auch vorgekommenen sexistischen Redeweisen von regelmäßigeren HV-Gängern, eine intensivere Auseinandersetzung mit Sexismus im allgemeinen (oder in der Linken im besonderen) zu fördern. Stattdessen bleibt das Problem auch hier bei den (weiblichen) Betroffenen. Differenzen und Desinteresse werden wohl auch hier eher mit "anrachistische Beliebigkeit" und postmoderne Identität bzw. Individualität" verschleiert, das Politische beschränkt sich weiter auf Festschreibungen und dass da ja noch so paar waren, die ab und zu mal so Demo-Mobilisierungsveranstaltungen machen. In anderen umliegenden Zentren sieht es wohl kaum besser, eher schlimmer (siehe Detmolder Umstände) aus.

Um eben zu jenen obig angepeilten Emanzipationsprozessen in Gruppenzusammenhängen gelangen zu können, muss geklärt sein, wer welche Ansprüche an jene Gruppenzusammenhänge stellt. Wenn diese zu weit auseinandergehen und sich nicht durch Diskussion annähern lassen, müssen andere Lösungen gefunden werden. Im Notfall (manchmal auch das Beste) die Spaltung. Mit Spaltung meinen wir mit Nichten, der physisch Stärkere werfe bspw. in autonomen Zentren, einfach unlieb gewordene mit Gewalt aus "seinem" Zentrum - stattdessen war dies klar eine Prollaktion unterster Art.

Abschluss zum Abschluss

Auch die Ideen über die Praxis der jeweiligen Gruppe fließen in diese theoretischen und sozialen Überlegungen mit ein. Denn die Art der sozialen Beziehungen und die Aktionsform/Vorgehensweise/Konzeption einer Gruppe treten in wechselseitige Abhängigkeit. "Was will Mensch eigentlich konkret machen?" Diese Frage kann nicht am Ende, nach allen theoretischen Sachen stehen, sondern muss von Anfang an mit einbezogen werden.

Jene, welche sich von diesem Text persönlich angegriffen fühlen, haben wohl den Text bzw. seine Intentionen (oder beides) nicht verstanden. Wir wollen uns weder selbst darstellen noch mit dem Zeigefinger andere belehren. Wir haben zwar manchmal nur über andere geschrieben, but the text goes up to you! Davon abgesehen, sprechen wir im allgemeinen auch von uns. Was hier steht sind lediglich Gedanken, aufgeschrieben (größtenteils von der Stewardeß) mit der Intention, den Sturzflug der "sog. Linken" zu beenden, zu helfen, die Maschine nach oben zu ziehen in der Hoffnung, dass die Raketenwerfer dereinst mit den Waffen der Reflexion neu geladen werden.

Nun, vorangehendes ist größtenteils recht allgemein gehalten. Das hat evtl. den Vorteil, dass mehr sich als emanzipativ verstehende Grüppchen jenes Papier als eine Reflexionsgrundlage in Betracht ziehen können/könnten!?

Trotzdem oder gerade deshalb erscheint es uns äußerst wichtig darauf zu verweisen, dass wir vorangegangenes nicht außerhalb des Kontextes unserer ersten Wortmeldung begreifen können oder wollen (betreffs "antideutscher Auseinandersetzungen", nachzulesen wie überhaupt große Teile der Debatte auf www.georg-weerth.info). Kurz könnten wir wohl nochmal zusammenfassen: Erst lernen kritisch zu denken, zu reflektieren - dann Handeln. Zuletzt sei noch einmal darauf hingewiesen, dass wir jene als böse verschrienen "Brüche", in Zusammenhang mit oben Gesagtem, also in Anbetracht des "größtenteils" fehlenden Willens zu Auseinandersetzung mit Inhalten, als etwa positives begreifen - als Chance, die Brille der Reflexion zu ergreifen, eben ... in dem Sinne auch weiterhin ...

Für die Freiheit (von) & für das Leben


zubaab@freenet.de

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