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Deister- und Weserzeitung ,
21.12.1998 :
Hanuka – Licht der Freude und Hoffnung für die Hamelner Juden
Von Lars Borges
Hameln. Eine leicht nervöse Unruhe ist in dem Saal der St. Elisabeth-Gemeinde zu spüren. Fast hundert Menschen haben sich versammelt, um gemeinsam zu beten und zu feiern. Hanuka heißt der Anlass, und bei den Menschen, von denen fast alle männlichen Teilnehmer ihr Haupt bedeckt haben, handelt es sich um die jüdische Gemeinde Hameln.
Rabbiner Daniel Katz, der als Gastrabbiner aus Kiel angereist ist, hat auch alle Mühe, Herr über die Unsicherheit der Anwesenden zu werden. So ist er nicht nur Leiter der rituellen Zeremonie, sondern muss auch immer wieder in die Funktion eines Glaubenslehrers springen und die grundlegenden Prinzipien des Judentums erklären. Permanent muss er mit stoischer Ruhe die Gemeinde in die einzelnen Abläufe der Andacht einweisen. Dabei wird er unterstützt von Polina Pelts, der zweiten Vorsitzenden der Gemeinde, die auf Russisch übersetzt und, während der Rabbiner in hebräischen Sprechgesang verfallen ist, sogar Schilder hochhält, um der Gemeinde zu zeigen, wann sie das Wort "Ameh" benutzen muss. "Hier gibt es viel zu tun, und das ist meine Aufgabe", so Katz, der aus den USA nach Deutschland gekommen ist, da das Judentum hierzulande einen großen Bedarf an Aufbauarbeit habe. "Viel zu tun" gibt es wirklich, denn die sich wieder regen Lebens erfreuende jüdische Gemeinde in Hameln – die Mitgliederzahl stieg seit Gründung vor fast zwei Jahren von 19 auf über hundert – besteht fast ausschließlich aus russischen Juden, die nach Deutschland kamen. Da die Ausübung des jüdischen Glaubens in der ehemaligen Sowjetunion per Gesetz verboten war, haben viele das Leben mit dem Glauben verlernt. "Man leistet sozusagen Missionarsarbeit", sagt Rachel Dohme, die Vorsitzende der Gemeinde. So müssen auch Festlichkeiten wie Hanuka wieder ins Gedächnis gerufen werden.
Hanuka, das ist das Lichterfest der Juden. Erinnert wird dabei an die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels im Jahre 167 v. Chr., nachdem man sich von den Syrern befreit hatte. Für die Weihe benötigte man die ständig brennende Menorah, den heiligen siebenarmigen Leuchter. Allerdings war damals nur Öl für einen Tag vorhanden, und für die Herstellung neuen Öls benötigte man mindestens acht Tage. Doch wie durch ein Wunder brannte die Menorah eben jene acht Tage. Dieses ist genau der Anlass für die Juden, weltweit ihr Hanuka für acht Tage, immer beginnend mit dem 25. des jüdischen Monats Kislev, der dieses Jahr auf den dreizehnten Dezember unseres Kalenders fällt, zu feiern. Gefeiert wird im Kreis der Familie oder beim Gottesdienst mit anderen Gläubigen. Während die Hanuka-Lichter brennen, von Einbruch der Dunkelheit bis Mitternacht, darf man nicht arbeiten, aber sehr wohl spielen und essen. Also sitzt man meist zusammen bei ölhaltigem Gebäck, wie Puffern oder Krapfen und spielt Dreidel, ein jüdisches Kreiselspiel. Hanuka ist zwar nicht eines der höchsten jüdischen Feste, aber es hat vor allem für die Kinder eine besondere Bedeutung, da es sich eingebürgert hat, an jedem Hanuka-Abend kleine Geschenke an sie zu verteilen. So standen die Kinder auch beim Gottesdienst im Mittelpunkt. Speziell die Kinder wurden gesegnet, sie führten ein Theaterstück und Gedichte vor, denen die Menge gebannt lauschte. Anschließend wurden sie mit Süßigkeiten und Gebäck beschenkt. Denn die Kinder sind laut Rachel Dohme "der Grundstein neuer jüdischer Identität in Deutschland".
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