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Lippische Rundschau , 18.11.1985 :

Ratsherrn der Grünen, Dieter Zoremba, vorläufig festgenommen

"Schulden toten Kameraden den Einsatz für Frieden" / Lautstarke Demonstration gegen Enthüllung der Gedenktafel am 55er-Denkmal

Detmold (ski/was). In Erinnerung an mehr als 4.000 gefallene und vermisste Soldaten hat die Traditionsgemeinschaft des Infanterieregiments 18, das mit Teilen der Einheit in Detmold stationiert war, am Samstag am 55er-Denkmal auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz eine Gedenktafel enthüllt. Eine Gruppe von rund 50 Demonstranten versuchte lautstark die schlichte Feierstunde zu stören. Nach mehrmaligem Ermahnen der Polizei, das "gröbliche Stören" der Veranstaltung zu unterlassen, wurde der 32-jährige Ratsherr der Grünen, der arbeitslose Lehrer Dieter Zoremba, wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und zur Feststellung seiner Personalien vorläufig festgenommen. Bei dem Versuch, die Festnahme und den Abtransport des Rädelsführer zu verhindern, wurde ein zweiter Demonstrant ebenfalls vorläufig festgenommen. Ihm wird versuchte Gefangenenbefreiung vorgeworfen. Der überlegt, aber sehr bestimmt agierenden Polizei gelang es schließlich, die Ordnung so weit herzustellen, dass die Veranstaltung ihren geplanten Verlauf nehmen konnte.

Vor rund 150 Teilnehmern an der Feierstunde, darunter auch ein Zug des Panzerbataillons 213 mit seinem Kommandeur Oberstleutnant Werner Widder und Oberst Dieter Schott, Kommandeur der Panzerbrigade 21, erinnerte der Vorsitzende der Traditionsgemeinschaft Ernst-Martin Rhein, an den Hintergrund für das Anbringen der Gedenktafel. Sie solle das Andenken an die in Russland begrabenen Soldaten, an die dort kein Grabkreuz erinnere, wachhalten, so Rhein. "Die Tafel soll den Angehörigen der Gefallenen sagen, dass ihre Männer, Väter und Brüder nicht vergessen sind. Sie soll die Bürger dieser Stadt daran erinnern, dass diese Männer aus Ostwestfalen, das höchste gegeben haben, was sie zu geben hatten - in gutem Glauben, ihrem Land zu dienen. Diesen Einsatz zu würdigen, gebieten Menschlichkeit und die Achtung vor dem Schicksal dieser Männer", stellte er fest. Es sei die Tragik der Soldaten, dass ihr Einsatz und ihr Glaube von einer verblendeten und hasserfüllten politischen Führung missbraucht worden sei. Daher zeuge es von einer "wirklichkeitsfremden und undifferenzierten Geschichtsbetrachtung", wenn manche Zeitgenossen heute die Soldaten der Wehrmacht auf eine Stufe stellen mit den politischen Fanatikern der NS-Zeit oder ihren soldatischen Einsatz als Handlangerdienst für Verbrechen gegen die Menschlichkeit abqualifizierten. "Soldaten sind immer nur die militärischen Vollstrecker des politischen Willens der Staatsführung", hielt der Vorsitzende der Traditionsgemeinschaft den Kritikern der Gedenktafel entgegen.

Neben der Erinnerung sei ein zweites Anliegen der Gedenktafel die Mahnung zum Frieden, deshalb der Text "Ihr Vermächtnis: Frieden!" Die Mitglieder der Traditionsgemeinschaft wüssten, was Krieg bedeutet: "Für uns ist es eine Herzenssache, uns als Staatsbürger dafür einzusetzen, dass es nicht wieder zu einem Krieg in Europa kommt. Das schulden wir unseren toten Kameraden ebenso wie unseren Kindern und Enkeln", meinte Rhein, der in diesem Zusammenhang der Bundeswehr für ihren über 40-jährigen Friedensdienst dankte.

Die Gedenkfeier solle schließlich auch an eine Verpflichtung erinnern, sagte Rhein: "Wenn wir dem scheinbar sinnlosen Sterben unserer toten Kameraden nachträglich einen Sinn geben wollen, dann den, als Staatsbürger aus den tragischen Verstrickungen und Fehlern der Vergangenheit die Lehren zu ziehen und uns für die Werte einzusetzen, mit denen eine friedliche Welt und ein neues, von nationalem Egoismus freies Europa gebaut werden können: Gerechtigkeit, Freiheit, Würde des Menschen und Toleranz gegenüber anderen Überzeugungen, Völkern und Rassen."

Die Soldaten hätten gehorchen müssen, unterschied auch Bürgermeister Friedrich Vogt in seiner Ansprache sehr deutlich zwischen dem Einsatz der Soldaten und den Zielen der Machthaber. Eindeutig stellte das Stadtoberhaupt aber in Abgrenzung zu der Traditionsgemeinschaft fest: "Der Weg der Soldaten war kein Opfergang. Opfer bringt man nur für eine gute Sache." Der Bürgermeister unterstrich das Recht der Traditionsgemeinschaft mit der Gedenktafel an die Gefallenen zu erinnern. Er sprach ferner die Hoffnung aus, dass die Tafel zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anregen möge und wünschte sich: "Sie soll die Menschen dazu mahnen, in Frieden zu leben und Versöhnung zu üben."

Zu der Demonstration gegen die Tafel-Enthüllung war in der vergangenen Woche mit einem Flugblatt aufgerufen worden, für das der Ratsherr der Grünen, Dieter Zoremba, verantwortlich zeichnet. Als "Unterstützer" werden die Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit, die Arbeitsgruppe gegen Neonazis, die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) und die Grünen Detmold genannt. In diesem Flugblatt wird der Traditionsgemeinschaft vorgeworfen, sie sei eine rechte militaristische Vereinigung, die Geschichtsklitterung und Ausländer-Hetze betreibe. Der eindeutige Satz: "Gebt der Veranstaltung am 16. November um 10.45 Uhr den notwendigen feierlichen Rahmen", war der Polizei Hinweis genug, die notwendigen Vorbereitungen dafür zu treffen, den Ablauf der Gedenkfeier zu gewährleisten. Was die Demonstranten unter feierlichem Rahmen verstanden, wurde sehr schnell deutlich: Durch Grölen von Parolen und Pfiffe auf Trillerpfeifen versuchten sie die Veranstaltung zu stören. Das sich dies in Grenzen hielt, ist dem entschlossenen Einsatz der Polizei zu verdanken.

Bereits in der Nacht zu Samstag war das 55er-Denkmal Ziel eines Farbanschlages gewesen. Drei Täter beschmierten und begossen das Denkmal mit roter und weißer Farbe. Zwei der Schmierer konnten unerkannt entkommen, ein dritter wurde von Polizeibeamten festgenommen, nach der Personalienfeststellung aber wieder entlassen. Das Denkmal wurde noch in der Nacht von der Detmolder Feuerwehr wieder gereinigt.


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