Lippische Landes-Zeitung ,
28.07.2004 :
Der Hölle entkommen / Tadeusz Sobolewicz überlebte sechs Konzentrationslager
Lemgo. Wie war es möglich, die Hölle von sechs Konzentrationslagern zu überleben? Tadeusz Sobolewicz hat es geschafft. In den vergangenen Jahren kehrte er immer wieder zu den verschiedenen Stätten seiner Odyssee zurück, um dort mit Jugendlichen über seine Erfahrungen zu sprechen. Vor zwei Jahren hat ihn Oliver Arnhold, Religionslehrer am Engelbert-Kaempfer-Gymnasium, in Auschwitz kennen gelernt - in diesen Tagen war Sobolewicz in Lemgo.
Als 17-Jähriger fiel Tadeusz Sobolewicz 1941 in Czestochawa in Polen als Verbindungsmann einer Widerstandsgruppe in die Hände der Nationalsozialisten. Dort begann seine Odyssee durch die Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und Flossenbürg sowie durch die so genannten Außenlager Leipzig, Mülsen und Regensburg. Durch eine Vielzahl von Zufällen überlebte er, weil ihm immer wieder von seinen Mitgefangenen geholfen wurde. Kurz vor Kriegsende gelang ihm während einer der berüchtigten Todesmärsche durch Bayern die Flucht.
"Meine deutschen Freunde - ich bin als polnischer Freund gekommen", begrüßt der Mann seine Zuhörer. Um dann ausführlich von den Gräueltaten der Nazis zu sprechen, die er persönlich miterlebt hat. "Ich möchte euch eigentlich damit nicht belasten. Aber einiges muss gesagt werden", erzählt er zum Beispiel von einem alten Mann, der in Auschwitz beim Tragen eines schweren Zementsackes zusammenbrach: "Zwei SS-Männer haben ihn geschlagen und getreten, bis er tot war." Oder von Häftlingen, die willkürlich erschossen wurden: "Die Mörder bekamen dafür zwei Tage Sonderurlaub."
Seine "Arbeit" in Auschwitz: Leichen einsammeln. "Den Gestank der verbrannten Leichen rieche ich noch heute. Das kann ich nicht vergessen." Seine Zuhörer sind erschüttert. Auch von den Schilderungen aus Buchenwald. Bei einem Fluchtversuch sei er aus einem Fenster gesprungen und weich gelandet - "auf den Leichen meiner Kameraden".
Im Februar 1945 kam Sobolewicz nach Regensburg; das Lager, das am 23. April 1945 evakuiert wurde: "Von den 850 Häftlingen haben kaum 200 überlebt, weil Himmler befohlen hatte, keiner darf in die Hände des Feindes fallen." Tadeusz Sobolewicz hat überlebt, weil er auf der Flucht in einem Nachbardorf "gute bayerische Freunde" gefunden hat, wo er sich in einer Scheune verstecken konnte. "Drei Tage später fuhren amerikanische Panzer durchs Dorf." Sie seien jubelnd auf die Straße gelaufen und hätten gerufen: "Nie wieder Krieg, es lebe die Freundschaft."
1946 kehrte Tadeusz Sobolewicz nach Polen zurück, wurde Schauspieler und arbeitete mit großem Erfolg an den Bühnen seines Landes. Alles andere als Schauspielerei ist das, was er seinen Zuhörern vermitteln will. Er zitiert den Papst, der gesagt hat: "Vergebung, Versöhnung ist wichtig, aber wir dürfen nicht vergessen." Und gerade deswegen suche er, Sobolewicz, das Gespräch mit der Jugend. Er werde immer wieder gefragt, was geschehe, wenn die Zeitzeugen nicht mehr lebten. Seine Antwort : "Eure Aufgabe ist es, das, was ihr von mir gehört habt, zu verbreiten." Und noch etwas gab der 1924 in Posen geborene Mann, der sich im Rahmen einer 14-tägigen deutsch-polnischen Begegnung auf Einladung der Vlothoer "Stätte der Begegnung" in der Region aufhält, seinen Zuhörern mit auf den Weg: "Fahren Sie nach Polen und schauen sich Auschwitz an."
lemgo@lz-online.de
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