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Lippische Landes-Zeitung , 24.05.2002 :

"Einhelligkeit mit Vorsicht betrachten" / Kritik der Grünen: Ausschuss nicht über alle Tatsachen informiert

Detmold. Die städtische Verwaltung hat in einer Presseerklärung dargelegt, dass die drohende Abschiebung der Familie Sit nicht zu verhindern sei und im übrigen der Sozialausschuss des Detmolder Rates "einhellig hinter der Verwaltung" stehe (die LZ berichtete). Aus Sicht der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die regelmäßig einen Vertreter in den Sozialausschuss entsendet, ist diese "Einhelligkeit mit Vorsicht zu betrachten".

Wenn - wie in diesem Fall geschehen - das Schicksal der Familie Sit nicht als Tagesordnungspunkt in der Einladung zur Sitzung aufgeführt sei, wenn es keine Vorlage dazu gebe, mithin keine Möglichkeit, die Problematik vorbereitend in der Fraktion zu diskutieren, dann sei ein Ausschussmitglied ganz darauf angewiesen, was es in der Sitzung zu hören bekomme, so die Grünen.

Es könne nur unter dem Vorbehalt "Einhelligkeit" herstellen, dass ihm alle zur Beurteilung des Falles notwendigen Tatsachen mitgeteilt worden sind, in diesem Falle: dass Gerichte und Verwaltung alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, Flüchtlinge vor Verfolgung, Diskriminierung und Folter zu bewahren.

"Ist das wirklich so? Keine Rede davon, dass Herr Sit bei seiner ersten, grundlegenden Anhörung kein Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden konnte, seine Fluchtgründe also gar nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Welchen Wert hat dann ein Gerichtsurteil?", fragt die grüne Fraktion. Die Rede sei allerdings gewesen von einer amtsärztlichen Bescheinigung, die dem kranken Familienoberhaupt Reisefähigkeit zusprach.

"Was ist damit gewonnen? Reisefähig ist auch ein Sarg. Es geht doch darum, ob Herr Sit in der Türkei lebensfähig ist, ob er seine Familie dort versorgen kann. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn Herr Sit seinem Leben ein Ende setzen will, wenn er in die Folterkeller zurückgeschickt wird", heißt es in der Presseerklärung. Da Sit nun von einer Fachärztin in stationäre psychiatrische Behandlung eingewiesen worden sei, habe die Verwaltung eine Handhabe, den verfolgten Kurden "so lange in ihrer Stadt zu dulden, bis er mit seiner Familie in eine Türkei zurückkehren kann, die Minderheiten ein Leben ohne Angst gewährleistet".

Und dazu - so meinen die Detmolder Grünen - "sollte Deutschland seinen politischen Einfluss nutzen".


Detmold@lz-online.de

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