Lippische Landes-Zeitung ,
11.11.2002 :
Bedrückende Stille / Ein Abend gegen das Vergessen
Bad Salzuflen (beo). Aufrütteln, nachdenklich machen, dem Vergessen entreißen - das war die Botschaft der "Poetischen Collage mit Musik" am Samstagabend in der Aula der Volkshochschule: Prosa und Lyrik - von Rose Ausländer über Paul Celan bis Erich Fried - schufen unter dem Titel "Gestern mitten noch im Leben" den würdigen Rahmen einer denkwürdigen Veranstaltung aus Anlass des 9. November.
Musikalisch kongenial begleitet von Ralf Kampenjohann (Akkordeon) und Ludger Schmidt (Violoncello) vom "Ensemble Draj", rezitierten die Schauspielerin Kriszti Kiss und der Autor Dieter Treeck die bewegenden Texte von Autorinnen und Autoren, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Freiheit, Vaterland und vielfach ihr Leben verloren. Zu Anfang schilderte in Imre Kertész' "Roman eines Schicksallosen" ein Junge, der nach Auschwitz deportiert wird, bitter-ironisch die "guten" Eigenschaften seiner deutschen Peiniger - so die großen Häuser, die sie mit großen Öfen versehen - und rief sogleich eine schier atemlose Stille hervor, deren bedrückende Intensität von Text zu Text zunahm.
Klagen wie Hugo Sonnenscheins "Gestern mitten noch im Leben / heute hinter Gitterstäben"; Wehklagen, wie die der Mutter, die in Buczynskis Gedicht "Du hast geweint" die Trauer über den Tod ihres kleinen Sohnes mit dem Leid der Muttergottes vergleicht; Anklagen, wie die der toten Freunde, die man überlebt hat (Rose Ausländer) - sie unterstrichen eindrucksvoll den Anspruch immer währender Erinnerung an den Holocaust, an die "Asche von Birkenau" (Stephan Hermlin) und die "Todesfuge", in der Paul Celan den Tod als "Meister aus Deutschland" definiert.
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