Bielefelder StadtBlatt ,
11.12.1986 :
Vor dem geplanten Siemens-Anschlag / Spitzel oder Schornsteinfeger
Die Verhaftung des 24-jährigen Jens K., sechs Tage vor einem geplanten Sprengstoffanschlag auf die Bielefelder Niederlassung der Siemens AG, hat Rätselraten ausgelöst. Stammte der entscheidende Hinweis von einem Spitzel - oder von einem Schornsteinfeger?
BKA-Sprecher Förster mauerte. "Keine Auskunft" mochte er auf die Frage nach dem Informanten der Polizei geben. Die BKA-Fahnder seien "gezielt informiert worden", mutmaßte daraufhin die Neue Westfälische. Und auch die "tageszeitung" vermeldete, die Durchsuchung der Wohnung des Bielefelder Studenten - in deren Verlauf die BKA-Leute in der Nacht zum Freitag den handschriftlichen Entwurf eines Bekennerschreibens gefunden hatten - sei "offensichtlich aufgrund eines Spitzel-Hinweises" erfolgt.
Schon tagsdrauf, am Dienstag dieser Woche, revidierte die "taz" die Spitzel-Version. Nachbarn des Verhafteten hatten berichtet, dass ein Schornsteinfeger beim Öffnen der Revisionsklappe des Kamins im Hause in der Nordstraße per Zufall den Bekennerbrief-Entwurf gefunden habe. Der Schornsteinfeger habe die Bielefelder Polizei informiert, die ihrerseits das Bundeskriminalamt eingeschaltet habe.
Bezirksschornsteinferger Reinhard Vogt jedoch, seit dem 1. Oktober mit dem die Nordstraße umfassenden Bezirk betraut, bestreitet dies energisch. Seit er den Bezirk übernommen habe, sei er noch kein einziges Mal im Haus Nordstraße 32 gewesen. Ausgeschlossen sei auch, dass ein anderer Meister der Innung im fraglichen Haus zu tun gehabt habe.
Der Heidelberger Rechtsanwalt Härdle, der den inzwischen nach Frankfurt verlegten Jens K. vertritt, mochte am Dienstag dieser Woche - nach einem Besuch bei seinem Mandanten - weder die eine noch die andere Version bestätigen. Jens K. selbst neige eher zu der Vermutung, dass ein Spitzel-Hinweis die Durchsuchung ausgelöst habe: Er habe zwar vor gewisser Zeit mit dem Schornsteinfeger telefoniert; ein Termin sei jedoch weder vereinbart worden noch zustande gekommen. Unzweifelhaft sei allein, so Rechtsanwalt Härdle, dass der handschriftliche Bekennerbrief im Kamin-Luftschacht gefunden worden sei.
So wird es wohl einstweilen bei Mutmaßungen bleiben - auch auf Seiten der Polizei. Denn auch deren Angabe, Jens K. sei kein Einzeltäter, sondern es seien noch zwei weitere Personen im Spiel, kann sich nach Einschätzungen aus der "Szene" kaum auf konkrete Hinweise stützen. Handfest sind wohl allein die Gasflaschen, die in der Nordstraße gefunden wurden, handfest ist auch das Geständnis, das der Bielefelder Student abgelegt hat - und als handfest könnte sich auch die Vermutung der Bundesanwaltschaft erweisen: Es habe sich wohl um einen "Feierabendterroristen" gehandelt.
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