Löhner Nachrichten / Neue Westfälische ,
26.09.2003 :
Fall Demir: Vater und Bruder tauchen unter / Kreisordnungsamt verfügt sofortige Abschiebung von Ömer und Ali Demir / Hauptschüler demonstrieren
Von Ulf Hanke
Löhne. Nach Monaten vermeintlicher Ruhe gab es in der Nacht zu Donnerstag erneut Wirbel um die Löhner Familie Demir: Das Kreisordnungsamt Herford versuchte am Mittwoch um 22 Uhr, Vater und Bruder des Löhner Abiturienten Mehmet Demir abzuschieben, dessen Kampf um Bleiberecht in den letzten Jahren bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Ömir und Ali Demir tauchten jedoch unter. Vater Ömer Demir ist zur Fahndung ausgeschrieben.
Um 22.15 Uhr parkte ein weißer VW-Bulli vor der Unterkunft der Familie Demir. Drinnen saß der Leiter des Kreisordnungsamtes Hans-Walter Hartogs mit mehreren Beamten. Sie kamen, um einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden durchzusetzen. Der Beschluss, eine Bestätigung der Abschiebung, war am selben Tag erst nachmittags an den Rechtsanwalt der Familie Demir gefaxt worden.
Die Beamten griffen jedoch ins Leere. In dem Haus an der Bünder Straße standen gepackte Koffer, aber nur Mehmet Demir war zu Hause. Der 20-jährige Abiturient an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule hat eine Aufenthaltsbefugnis bis Ende Februar und, so Pfarrer i.R. Peter-Michael Voß (Beauftragter des Kirchenkreises für Flüchtlingsfragen), die Zusage des Kreisordnungsamtes, bis zum Abitur in Löhne bleiben zu dürfen.
Dies bestätigte Hans-Walter Hartogs gestern gegenüber der NW: "Solange Mehmet Demir zur Schule geht und sein Abitur macht."
Anders sieht der Fall bei Mehmets Vater Ömer aus. Der 43-jährige Kurde hat zwei Asylanträge gestellt, die beide abgelehnt wurden. Das Verfahren zu seiner Abschiebung in die Türkei lief schon länger. Der Grund für seine Duldung in Deutschland waren psychiatrische Gutachten - unter anderem auch von Amtsärzten -, die Suizid-Gefahr und schwere psychische Störungen diagnostizierten.
Zuletzt begutachtete ein türkisch-stämmiger Arzt den Patienten Ömer Demir und bescheinigte ihm Reisefähigkeit, was das Ausländeramt veranlasste, die sofortige Abschiebung anzuordnen. Gegen diese Anordnung legte Ömer Demirs Anwalt Beschwerde ein, die bis zur Mittwochnacht gerichtlich noch nicht entschieden war. Das Kreisordnungsamt war jedoch nicht bereit, die Klärung der Abschiebung Ömer Demirs durch das Oberverwaltungsgericht Münster abzuwarten - eine Entscheidung, die Pfarrer Peter Voss scharf kritisiert: "Rein juristisch ist diese Haltung des Ordnungsamtes zulässig, doch humanitär ist sie nicht nachzuvollziehen."
"Wir hatten eine Vereinbarung mit allen Beteiligten, dass sich Ömer Demir seiner Abschiebung nicht entzieht", sagte Hans-Walter Hartogs gestern auf Anfrage der NW: "Irgendwann ist Schluss." Ömer Demir wurde zur Fahndung ausgeschrieben.
Gestern Mittag erklärte Hartogs: "Wir wissen, wo er sich aufhält und wir haben der Polizei seinen Aufenthaltsort mitgeteilt." Ob die Polizisten Vater und Bruder von Mehmet Demir verhaftet haben, war gestern bis zum Redaktionsschluss nicht bekannt.
Mit Vater Ömir wird auch Mehmets Bruder Ali abgeschoben. Der 16-Jährige ist minderjährig, er muss mit seinem Vater in die Türkei fliegen und könnte nicht mit seinem erwachsenen Bruder in Löhne bleiben. "Das Sorgerecht liegt beim Vater", erklärte Hartogs.
Ali Demirs Schicksal bewegte gestern seine Mitschüler aus der Hauptschule Löhne-West. Eine Delegation besuchte das Kreisordnungsamt. Hatogs zeigte sich beeindruckt: "Wir wurden gebeten, unsere Herzen entscheiden zu lassen", so der Behördenleiter und er fügte an: "Wir haben den 16-jährigen Ali Demir nicht zur Fahndung ausgeschrieben."
Gegen die Abschiebung protestierten in der Mittwochnacht rund 20 Jugendliche vor der Unterkunft der Familie. Sie bildeten eine Menschenkette und behinderten den weißen VW-Bulli des Kreisordnungsamtes an der Einfahrt zum Hof. Die überwiegend jungen Demonstranten hielten Transparente mit der Aufschrift "No boarder, no nation, stop deportation" und skandierten "Kein Mensch ist illegal - Bleiberecht überall!"
lok-red.loehne@neue-westfaelische.de
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