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Der Patriot - Lippstädter Zeitung , 24.10.2009 :

Ein Dolch und ein Brief schreiben Zeitgeschichte

Ein junger Amerikaner versucht die Herkunft einer militärischen Auszeichnung zu erforschen und stößt dabei auf Hubert Henne aus Altenrüthen.

Altenrüthen. Diese Geschichte ist unglaublich und vielleicht ist sie auch gar nicht wahr. Obwohl sie sich so zugetragen hat. Vor etwa einem Jahr lag ein Brief im Kasten von Hubert Henne. Abgestempelt war er in den USA, allerdings war er an einen anderen Hubert Henne gerichtet - seinen Onkel, den 1923 in Altenrüthen geborenen Ehemann von Ursula Henne. Drei Monate zuvor war dieser plötzlich verstorben. "Wenn der Brief nur ein bisschen früher gekommen wäre, dann hätte mein Mann noch alles klären können."

Aber so erfuhr Hubert Henne sen. nicht mehr, dass ein junger Mann auf einem Militär-Memorabilien-Markt in den USA dem Sohn eines amerikanischen Kriegsveteranen seinen Luftwaffendolch abkaufte. Er kann auch nicht mehr erklären, ob es überhaupt seiner ist - obwohl sein Name auf der Klinge eingraviert ist. An drei Hubert Hennes hat Bob Johns (so heißt der junge Mann) den Brief geschickt, dazu hat er Fotos gelegt. Auf ihnen ist die militärische Auszeichnung zu sehen, eines zeigt ihn selbst.

"Ich schreibe Ihnen, weil ich gerne Auskunft über einen geschichtlichen Gegenstand suche ... " beginnt der Brief. Johns hat eine Tante, die in Deutschland aufgewachsen ist, sie hat ihm beim Schreiben des Briefs geholfen. Seit 25 Jahren interessiert er sich für deutsche Militärgeschichte, seit 20 Jahren sammelt er militärische Stücke.

Johns ist deutschen Veteranen begegnet, hat sich mit ihnen unterhalten, weil er findet: "Die Geschichte durch die Erfahrung des Einzelnen zu lernen, gibt einem einen ganz besonderen Einblick." Und er betont, dass er nicht an den Nationalsozialismus glaubt. Er habe Achtung für die Opfer, die alle Soldaten während des Krieges für ihre Vaterländer gebracht haben.

Sein Leben hat Hubert Henne dem Deutschen Reich glücklicherweise nicht geopfert. "Er gehörte im Mai 1943 zu den ersten Deutschen, die die Amerikaner gefangen genommen haben", erklärt Ursula Henne. Mit 18 Jahren zog die Wehrmacht den Gymnasiasten ein. Er war Mitglied des Fliegerhorstkommandos (E) 6/IV - so steht es auf der Urkunde, die ihm die Verleihung des Eisernen Kreuzes zweiter Klasse bestätigt. Datiert vom 30. November 1942. Da war seine Einheit gerade in Nordafrika stationiert.

Wenige Monate später geriet Hubert Henne in Kriegsgefangenschaft. "Wahrscheinlich gehörte er dem Afrikakorps an", sagt Ulrich Nickel. Der Brigadegeneral der Bundeswehr a.D. war lange Zeit Mitglied im Soester Kreistag und kennt sich aus mit militärischen Auszeichnungen und auch der Geschichte. Nach dem misslungenen "Afrikafeldzug" nahmen die Amerikaner in Tunesien 130.000 Deutsche gefangen. Einer von ihnen war Hubert Henne.

"Er war erst in Süddeutschland, dann in Italien und später in Afrika", bestätigt seine Frau. Viel weiß sie nicht über diesen Lebensabschnitt ihres Mannes. "Er hat nie viel über den Krieg und die Gefangenschaft gesprochen." Aber diesen Satz hat er mehr als einmal gesagt: "In Amerika hatten wir den Himmel auf Erden und in Frankreich die Hölle." Nach drei Jahren in zwei amerikanischen Lagern in Oklahoma sowie in der Umgebung der Niagarafälle wurde er 1946 an die Franzosen übergeben. Dort arbeitete er in der Nähe von Lille in einem Bergwerk. Erst im Dezember 1948 kehrte er heim nach Altenrüthen, als einer der letzten.

"Aber ob der Dolch wirklich meinem Mann gehört hat?" Ursula Henne hat so ihre Zweifel. Für Bob Johns steht es fest, dass die Auszeichnung Hubert Henne aus Altenrüthen zu zuordnen ist. Dolche dieser Art wurden nach seinen Recherchen nur bis Ende 1942 verliehen. Auf dem Markt hat Johns erfahren, dass der Vater des Verkäufers den Dolch 1945 aus Deutschland mitgebracht hat. Auf einem Stützpunkt habe er im Spind gestanden. "Aber damals war mein Mann doch längst selbst in den USA" - Ursula Henne kann sich nicht recht erklären, warum der Dolch ihrem Mann gehört haben sollte.

Sollte er ihm erst später in einer Zeremonie übergeben werden, wegen des Kriegsverlaufs ist es aber nicht mehr dazu gekommen? Wurde ihm der Dolch schon vor 1945 abgenommen? Dolche wie dieser wurden ab 1937 an Offiziere der Luftwaffe vergeben. Henne war aber Flieger, und gehörte damit den untersten Mannschaftsdienstgraden an. Zwar war er zur Teilnahme an einem Offizierslehrgang vorgeschlagen worden, aber dazu ist es nicht mehr gekommen.

"Es ist möglich, dass diese Dolche auch für besondere Verdienste verliehen wurden", erklärt Ulrich Nickel. Allerdings hätten sie dann keine Gravur. "Der Name steht grundsätzlich nicht auf einer Auszeichnung, sondern nur auf der gleichzeitig verliehenen Urkunde." Wahrscheinlicher ist, so Nickel, dass der Dolch zur Ausgehuniform eines Luftwaffen-Offiziers gehörte - in diesem Fall einem Hubert Henne.

Es ist purer Zufall, dass Ursula Hennes Sohn Franz-Josef in Washington, USA lebt - gar nicht weit entfernt von Bob Johns. Inzwischen hat er den Sammler schon einige Male besucht, sie sind sich sympathisch. Neben dem Dolch, in dessen Klinge der Name seines Vaters eingraviert ist, steht nun ein gerahmtes Foto, das den jungen Hubert Henne in der Uniform des Afrikakorps zeigt, und eine Kopie der Urkunde für das Eiserne Kreuz. Die Klinge funkelt wie neu, es ist wirklich ein schönes Sammlerstück. Eines, das nun eine Geschichte hat - auch wenn es vielleicht eher die Geschichte von einer ungewöhnlichen Bekanntschaft ist als die der Auszeichnung eines deutschen Soldaten.

Bildunterschrift: Der Wehrmachtsdolch hat einen Platz in Bob Johns' Sammlung gefunden. Daneben steht ein Foto von Hubert Henne.

Bildunterschrift: Hubert Henne (l.) als Kriegsgefangener in den USA bei der Kartoffelernte. Das Foto zeigt ihn gemeinsam mit dem Lagerkommandanten.

Bildunterschrift: Im Online-Telefonbuch hat Bob Johns die Adressen von drei Männern mit Namen Hubert Henne gefunden. Er schrieb ihnen einen Brief und legte Fotos vom Luftwaffendolch und sich selbst bei. Dieser Brief landete ursprünglich bei Ursula Hennes Neffe.

24./25.10.2009
Redaktion@DerPatriot.de

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