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Lippische Landes-Zeitung , 03.02.1990 :

Woher der Wind weht

Schon allein die Bezeichnung "Räuber Hotzenplotz" scheint mir für eine einigermaßen ernst zu nehmende Vereinigung etwas skuril, auch wenn ich keinen Einblick in das Wirken dieser Gruppe habe.

Die Angst gegen aufkommenden "Neo-Faschismus" zu schüren ist einmal Ansichtssache und auch ein Politikum, insbesondere, wenn nationales Denken über Gebühr hier einbezogen wird. Von einer sozialistischen unmenschlichen Diktatur, die gerade eben in den Ostblockländern trotz aller furchtbaren Drangsal durch friedliche Revolution beendet wurde, spricht man nicht in jenen Kreisen. Sind die "Hotzenplotzs" etwa hier zu Hause?

Hier wurden Völker eingemauert und nur ein Leben einfachster Art gestattet, während Funktionäre in Saus und Braus lebten. Das ist sozialistischer Faschismus! Diese Völkerunterdrückung dürfte in der Geschichte wohl ein Novum sein bei allem Wissen über bösartige andere Diktaturen. Die sich hieraus ergebenden Reaktionen mögen die "Hotzenplotze" faschistisch nennen. Mit Sicherheit auch diese Gegenäußerung. Vielleicht nun auch Willi Brandt für seine unzweideutige Äußerung über das Zusammenleben von DDR und BRD.

"Deutschtümmelei", leider in letzter Zeit schon einmal gebraucht, zeigt auf, woher der Wind weht, und dies gleich im Zusammenhang mit der hier angeblich herrschenden "Fremdenfeindlichkeit". Einmal ist das Zusammenrücken der bisher getrennten deutschen Staaten natürlich, so auch der durch den plötzlichen Wandel sich ergebende Überschwang. Fremdenfeindlichkeit, ebenfalls ein Schlagwort, ergibt sich aus einer gewissen Unruhe in der Bevölkerung bei allzu starker Überfremdung, hauptsächlich durch Wirtschaftsflüchtlinge.

Den "Hotzenplotzs" sei nur empfohlen, sich in die nationalbedingten Unruhegebiete in Russland, Nordirland, Nordspanien - nur einige Beispiele - zu begeben, um ihre Heilslehre hier an den Mann zu bringen. Es gibt nun eben verschiedene Charaktere der einzelnen Völker, die nicht immer unter einen Hut zu bringen sind, nicht einmal in einem sozialistischen völkerfreundlichen Land wie Russland. Ein friedliches Zusammenleben auf dieser Erde wird nicht allein durch Völkermischmasch erreicht!

Übrigens: Die bisher allgewaltige und nun marode SED hat vor kurzem auch den Faschismus als Überlebenschance geübt, sich sogar wie solche benommen, um dann diese Taten als die der Faschisten zu deklarieren.

Über Demonstrationen, Schmierereien und Ausschreitungen, mehr oder weniger vermummt, der verschiedenen Gruppen sei hier stellvertretend an die Ausschreitungen in Berlin vor der Wahl erinnert. Das Problem Hafenstraße in Hamburg gehört hier auch dazu.

Ein Jugendpfarrer hat es heute schwer, es ist kein leichter Job. Für ihn sollten die zehn Gebote immer verbindlich gelten. Da heißt es u.a. auch, du sollst kein falsch Zeugnis reden.

Theo Fiener
Burgstraße 19
Horn-Bad Meinberg

03./04.02.1990
Detmold@lz-online.de

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