www.hiergeblieben.de

WebWecker Bielefeld , 27.08.2003 :

www.hiergeblieben.de

"www.hiergeblieben.de" ist eine neue Adresse im World-Wide-Web. Dahinter verbirgt sich zwar nicht ein gallisches Dorf im Kampf gegen die Römer. Aber die Ausgangssituation ist durchaus ähnlich: Drei Menschen in Detmold versuchen, eine Vernetzungsplattform zu bieten, um vor allem Abschiebungen zu verhindern. Die seit der rot-grünen Koalition freundlich gewordenere Ansprache an unsere "ausländischen Mitbürger" oder "Migranten" ändert nichts daran, dass in der Bundesrepublik nach wie vor knallhart abgeschoben wird.

Von Manfred Horn

www.hiergeblieben.de begreift sich dabei als explizit linkes Projekt. Man will das Internet dazu nutzen, auch wieder ganz menschlich und real miteinander zu arbeiten. "Zu einer Anti-Nazi-Demonstration rennen sie alle, wenn gegen eine Abschiebung mobilisiert wird, kommen 30 Leute", sagt Diether Kuhlmann, einer der Initiatoren von www.hiergeblieben.de. Und fügt hinzu: "Da stimmt doch was nicht." Die Linke sei gebeutelt von Kämpfen unter sich. "Die Frage, ob aus der 'alten Pauline' eine Israel-Fahne hängen darf oder nicht, bringt uns nicht weiter", sagt Kuhlmann und bezieht sich damit auf einen in Detmold geführten Streit zwischen sogenannten "Anti-Deutschen" und anderen Linken. Das richtige Bewusstsein zu den Auseinandersetzungen in Israel und Palästina werde zu einer Glaubensfrage stilisiert.

Derartige Debatten würde Kuhlmann am liebsten hinter sich lassen. Deswegen will die Internetseite, die seit ihrer Eröffnung vor wenigen Wochen bereits über 3.000 Menschen besuchten, auch die Diskussion und die Vernetzung innerhalb der Linken fördern. Dies schließt mit ein, sich nicht nur mit Flüchtlingspolitik, sondern eben auch mit anderen Politikfeldern wie Antifaschismus zu beschäftigen. www.hiergeblieben.de "soll ein offenes Medium einer pluralen Linken werden. Ein Medium, das nach Praxis sucht, ohne den Abstand aufzugeben, der nötig ist, um Praxis kritisieren zu können", heißt es in der Selbstdarstellung.

Das "Bewegungsorgan" gesteht sich dabei ein, dass die "richtige Antwort gelegentlich darin besteht, die gestellte Frage offen zu lassen". Und: die gegen Flüchtlinge staatlicherseits betriebene Abschottung will man selbst nicht gelten lassen: Die Wirkkraft des Projekts soll über die Linke hinausgehen. Dies ist auch nötig, um in einem Klima, in dem nur sich nur wenige Menschen für von Abschiebung bedrohte Menschen einsetzen, Erfolge zu erzielen.

Die kurzfristige Kampagne gegen die Abschiebung der Familie Asani in Werther jedenfalls hat zu einem vorläufigen Erfolg geführt. Die Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh wollte die Familie am vergangenen Donnerstag abschieben, obwohl diese schon lange in Deutschland lebt und ihre drei Kinder in der Bundesrepublik leben (WebWecker berichtete). www.hiergeblieben mobilisierte dagegen und forderte unter anderem auf, Protest-E-Mails an einen Gütersloher Landrat und einen Mitarbeiter der Ausländerbehörde zu schicken. Die reagierte: Die Abschiebung werde ausgesetzt, weil in Mitrovica in Kosovo-Albanien, der früheren Heimatstadt der Familie Asani, Unruhen herrschen. Dennoch kann als sicher gelten, dass die Ausländerbehörde bald den nächsten Versuch einer Abschiebung starten wird, wohl am liebsten in einem Moment, in dem es nicht so viel Öffentlichkeit gibt. Immerhin sagten die Gütersloher Grünen jetzt zu, sich um ein dauerhaftes Bleiberecht für die Familie zu bemühen.

Im Fall von Hüseyin D., der ebenfalls unter die Zuständigkeit des Gütersloher Ausländeramts fiel, gibt es allerdings schlechte Nachrichten. Er hatte sich vor drei Wochen im Ausländeramt mit einem Grillanzünder übergossen und selbst angezündet. Alle Rechtsmittel gegen die Abschiebung waren erschöpft Hüseyin D. vollkommen verzweifelt. Er starb am vergangenen Sonntag in einer Gelsenkirchener Spezialklinik an den Folgen der schweren Verbrennungen.

www.hiergeblieben will nun eine Todesanzeige für Hüseyin D. in der "Neuen Westfälischen" schalten und sucht noch Menschen, die sich daran finanziell beteiligen. Neben derartigen Aktionen, die einen aktuellen Bezug haben, arbeitet www.hiergeblieben.de auch eine Geschichte der Flüchtlingspolitik in Ostwestfalen-Lippe. "Ende nächsten Jahres sind wir fertig", sagt Kuhlmann. Dann könne man unter der Internetadresse die Flüchtlingspolitik der vergangenen 15 Jahre nachlesen.

Wer Kontakt mit den Initiatoren aufnehmen will, kann eine E-Mail an info@hiergeblieben.de schicken.


webwecker@aulbi.de

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