Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
22.11.2003 :
In Sorge um die Verwandten / Der Terror in Istanbul erschüttert auch die in Bielefeld lebenden Türken
Von Ansgar Mönter
Bielefeld. 15.218 Türken leben in der Stadt. Die terroristischen Anschläge in Istanbul sind Gesprächsthema Nummer eins bei den Bielefeldern türkischer Herkunft. Viele haben Angst um Familienangehörige, Freunde oder Verwandte in der größten Stadt des Landes - und viele haben Angst um das friedliche Klima in der Türkei allgemein und in Istanbul speziell. Das zeigt eine Umfrage in Brackwede. In diesem Stadtteil leben relativ viele Zuwanderer aus der Türkei.
"Ich bin sehr traurig über das, was in Istanbul passiert ist", sagt Hüseyin Kutbay. Er führt einen Imbiss mit dem Namen "Istanbul-Grill". Kutbay kommt aus der Stadt und hat dort Familie. Als er von den Anschlägen hörte, griff er gleich zum Telefonhörer. Seinen Verwandten ist nichts passiert, aber "dort haben sie Angst, dass das nochmal passieren könnte", sagt er. Dass sich die Terroristen Istanbul als Ort des Mordens ausgesucht haben, liegt seiner Meinung nach am toleranten Klima dort, das jene bekämpfen wollen.
Um das offene Istanbul macht sich auch der Inhaber eines türkischen Lebensmittelladens an der Hauptstraße große Sorgen. "Bisher haben dort alle friedlich zusammengelebt, egal welcher Religion, ob Muslime, Christen oder Juden. Der Terror ist schlecht, ich fürchte um den Frieden", sagt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte. Seiner Meinung nach wird von den Terroristen der islamische Glauben nur benutzt, in Wirklichkeit aber gehe es den Drahtziehern um Politik und Macht . Önder Aramas und Mashan Kirmizgül, beide Frisöre, bewerten die Lage ähnlich. "Die Leute wollen nur töten, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie sagen, sei seien Muslime und töten Menschen. Das aber steht nicht im Koran. Dort steht, dass man Menschen nicht töten darf, weil sie von Gott geschaffen wurden." Aramas kann sich auch vorstellen, dass die türkische Wirtschaft und die Ausrichtung zur EU getroffen werden sollen: "Sie wollen einen Beitritt des Landes verhindern und die Wirtschaft kaputtmachen." Der Frisör ist in Istanbul geboren, auch er hat seine Verwandten und Freunde angerufen. Wie Kamuran Karabiyik aus dem Reisebüro "Mittelmeer-Reisen". "Allen geht es gut", berichtet sie.
Kamuran ist in Bielefeld geboren, das Land ihrer Eltern aber ist ihr nahe - und die Anschläge Thema Nummer eins zu Hause. "Alle sind der Meinung, dass gegen die Terroristen international vorgegangen werden muss." Angst, in die Türkei oder nach Istanbul zu fliegen hat Kamuran nicht. "Aber ich kann verstehen, wenn Deutsche jetzt zögern." Denn bei solchen Taten treffe es immer Unschuldige.
Seit über 20 Jahren lebt Ökkes Attan in Deutschland. Jedes Jahr fährt er in den Ferein nach Istanbul. Er kann sich nur schwer vorstellen, dass Türken die Anschläge verübt haben. Und er ist wütend: "Früher gab es ein Terroristenproblem. Jetzt taucht es plötzlich wieder auf. Niemand will diese Fanatiker."
22./23.11.2003
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