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Mindener Tageblatt ,
05.12.1994 :
Boykott des "Collegium Humanum" in Vlotho gefordert / Kundgebung gegen die rechtsextreme Bildungsstätte auf dem Winterberg / Werner Georg Haverbeck und seine braune Vergangenheit
Von Hartmut Nolte
Vlotho (mt). Die Idylle der provinzialen Abgeschiedenheit dürfe nicht darüber hinweg täuschen, dass mit dem "Collegium Humanum" (CH) sich in Vlotho ein bundesweiter Treffpunkt rechtsextremer Kräfte befinde, wurde aus den Reden bei der Kundgebung gegen diese "Bildungseinrichtung" am Winterberg am Samstag in der Vlothoer Innenstadt deutlich. Die beteiligten Gruppen, von der linken Antifaschistischen Aktion über Grüne und SPD bis zur Evangelischen Jugend, forderten die Stadt Vlotho auf, sich klar von dieser Einrichtung zu distanzieren.
Die Gefahr von Rechts höre so lange nicht auf, solange man sich nicht auch gegen solche Einrichtungen wie auf dem Winterberg wehre, sagte SPD-Ratsmitglied Peter Sundermann, seit Jahren entschiedener Gegner des CH und seines mit brauner Vergangenheit belasteten Chefs Werner Georg Haverbeck (85).
Das Geschehen im "Collegium Humanum" an der Bretthorststraße dürfe nicht still nach dem Motto "das überlebt sich" hingenommen werden, forderte Sundermann bei der Kundgebung in der Innenstadt, während zur gleichen Zeit oben auf dem Winterberg sich rechte Kräfte aus ganz Deutschland, den Autokennzeichen nach aus dem Hochsauerlandkreis ebenso wie aus Lippe oder Dresden, zu einer Tagung versammelt hatten.
Gefordert wurde auf der Kundgebung von Vlothoer Druckereien, die Pamphlete der Bildungsstätte nicht mehr zu drucken, von Anwälten, Mandanten von Haverbeck oder dem "Collegium Humanum" abzulehnen, von der Stadt Vlotho, die Einrichtung aus ihren Broschüren zu streichen, von den Medien, über Seminare im CH nicht zu berichten.
Heß-Protegé
Sundermann, der sich seit gut zwölf Jahren mit dem CH und seinem Leiter Haverbeck beschäftigt, konnte diese Forderung auf eine ganze Reihe von Fakten stützen, die den Vorwurf des Rechtsextremismus belegen.
Haverbeck selbst sei bereits als junger Student begeisterter Hitler-Anhänger gewesen, sei Gründer und mit 25 Jahren bereits Anführer des Reichsbundes "Volkstum und Heimat" mit fünf Millionen Mitgliedern und ein Protegé des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß gewesen. Haverbeck, der sich jetzt als Widerstandskämpfer bezeichne, sei nur entnazifiziert worden, weil er nach der Heß-"Flucht" nach England bei den Nazis in Ungnade gefallen und zu den Sanitätern an die Front geschickt worden sei. "Dieser Mann ist und bleibt ein überzeugter Nationalsozialist", sagte der SPD-Ratsherr.
Ökologisches Tarnnetz
Mit politisch unverfänglichen und honorigen Referenten bei ökologischen Seminaren habe Haverbeck ein Tarnnetz um sich und das Collegium gewoben. Doch nicht nur, dass verschiedene rechtsextreme Organisationen dort häufig tagten, nicht nur dass beispielsweise der inzwischen in Deutschland unerwünschte englische Neonazi-Schriftsteller David Irving sich im CH aufgehalten habe, beweise "das wahre Denken in dieser Kaderschmiede auf dem Winterberg", so der Redner.
Die Organisatoren konnten auch einen Brief eines "Vorbereitungskreises zum 100. Geburtstag von Adolf Hitler" vorweisen, der 1984 ins Collegium Humanum einlud. "Auf der Anreise gilt strengstes Uniformverbot", heißt es darin bezeichnenderweise.
"Illustre" Gäste
Der Landes-Verfassungsschutzbericht machte bereits 1985 das CH als eine "Stätte rechtsextremer Indoktrination" aus. Dennoch hätten hier Organisationen der rechtsextremen Szene wie der "Bund heimattreuer Jugend", der "Bund der Goden", das "Nationaleuropäische Studienwerk" zusammen mit den "Jungen Witikonen" sowie erst jüngst der von Haverbeck und seiner Frau Ursula Haverbeck-Wetzel geführte "Weltbund zum Schutz des Lebens" Versammlungen und Seminare hier abgehalten. Im September sei das CH, allerdings vergeblich, nach dem per Haftbefehl gesuchten Altnazi Otto Ernst Remer durchsucht worden.
Nicht nur für die Organisatoren der Kundgebung Gründe genug, sich gegen die "rechte Bildungsstätte in Vlotho" zu wehren, mehrere hundert Bürger unterzeichneten ihren Boykott-Aufruf, der jetzt dem Vlothoer Stadtrat vorgelegt werden soll.
mt@mt-online.de
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