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Lippische Rundschau , 20.03.1997 :

Nicht alle Soldaten in Untersuchungshaft - drei werden der Bundeswehr überstellt - Wohnungen durchsucht / Bei zwei Soldaten rechtsextremes Propagandamaterial

Von Michael Kaiser

Detmold (LR). Gegen drei der neun Soldaten aus Augustdorf, die am Montag Abend vier jugendliche Ausländer überfallen hatten, wird die Staatsanwaltschaft keinen Haftbefehl beantragen. "Es gibt keine Haftgründe. Sie haben sich an den Tätlichkeiten nicht unmittelbar beteiligt oder sogar versucht, ihre Kameraden von weiteren Angriffen abzuhalten", beschrieb Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink ihre Rolle bei den ausländerfeindlichen Übergriffen, die bundesweit Empörung ausgelöst hatten.

Die sechs übrigen Soldaten aus der dritten Kompanie des Panzeraufklärungsbataillons 7, die ausländerfeindliche Parolen gröhlend einen Italiener, einen Amerikaner und zwei Türken mit Baseballschlägern und Messern angegriffen und verletzt hatten, bleiben laut Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Ihnen werden schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung und auch Volksverhetzung zur Last gelegt.

Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass zumindest einige der Rekruten schon vor ihrer Bundeswehrzeit zur ausländerfeindlichen Szene zu rechnen waren. Beamte des Staatsschutzes haben die Wohnungen der sechs Inhaftierten in den neuen Ländern durchsucht. Wie der Bielefelder Polizeisprecher Martin Schultz der Lippischen Rundschau gestern bestätigte, ist bei zwei der Soldaten rechtsextremes Propagandamaterial gefunden worden: von der "Nationalistischen Front" (NF) Meinolf Schönborns, die bis zum Verbot ihr Hauptquartier in Pivitsheide an der Quellenstraße hatte, von der Deutschen Volksunion (DVU) sowie von den "Republikanern".

Die drei zwischen 21 und 22 Jahre alten Rekruten aus Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, die von Untersuchungshaft verschont bleiben, werden der Bundeswehr überstellt und sich disziplinarrechtlich zu verantworten haben, wie Oberstleutnant Harald Pape, Sprecher des Wehrbereichskommandos III in Düsseldorf, der LR gestern sagte. Ihnen drohe - unabhängig von der zivilen Strafverfolgung - eine Arreststrafe, die bis zu 21 Tagen andauern könne.

Pape sagte weiter, die Betroffenheit auch in anderen Verbänden sei sehr groß. Pape: "Es haben bereits einige Kommandeure bei uns um Informationen gebeten, weil sie den Vorfall auch im staatsbürgerlichen Unterricht ihrer Einheiten zum Thema machen möchten."

Der Kommandeur des Panzeraufklärungsbataillons 7, Oberstleutnant Peter Beeger, kündigte an, der Vorfall werde lückenlos aufgeklärt. Auch wenn die Wehrbeauftragte Claire Marienfeld erst vor wenigen Tagen bestätigt habe, dass es keine rechtsradikalen Tendenzen in der Bundeswehr gebe, so gelte es doch wachsam zu bleiben und vorbeugend tätig zu werden. "Soldaten, die wie in Tirana Ausländer unter Einsatz ihres eigenen Lebens retten, das ist es, was wir wollen", so der Kommandeur, "nicht Soldaten, die mit dem Knüppel auf andere Menschen losgehen".


wb@westfalen-blatt.de

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