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Lippische Landes-Zeitung , 26.06.1993 :

Klare Worte / Betr.: Beitrag "Die Justiz möchte ein klares Zeichen setzen", LZ vom 16. Juni

"Klare Worte" hat nach Ansicht der LZ-Berichterstatterin der Vorsitzende Richter beim Jugendschöffengericht Lemgo an die Adresse der Politiker und Politikerinnen gerichtet, als er unlängst zwei rumänische Asylbewerber beziehungsweise -bewerberinnen wegen Diebstahls verurteilte. Ein wenig zu klare, um nicht zu sagen instinktlose Worte, wie ich meine, wenn es zutrifft, dass der Amtsrichter in der Urteilsbegründung den Gesetzgeber aufgefordert hat, dafür Sorge zu tragen, dass "Volksgruppen", die angeblich nur kommen, um hierzulande zu stehlen, Deutschland nicht mehr erreichen können. Derartige Äußerungen aus dem Munde eines Justizvertreters nach Rostock, Mölln und Solingen sind ein Skandal.

Niemand, der ehrlich ist, wird bestreiten, dass es unter den rumänischen Asylantragstellern nicht wenige gibt, die darauf aus sind, sich in der Bundesrepublik unrechtmäßig zu bereichern. Aus dieser Tatsache nun aber die Schlussfolgerung zu ziehen, alle Asylbewerber/innen aus Rumänien - gemeint sind ja wohl wieder einmal in erster Linie des deutschen Spießbürgers liebste Prügelknaben, die Roma - seien kriminell, ist in höchstem Maße infam und grenzt fast schon an Rufmord.
Ich weiß nicht, ob der Lemgoer Richter mit der deutlichen Aussprache beabsichtigt, seinen sicherlich wohlverdienten Sommerurlaub im Ausland zu verbringen. Wie wäre aber wohl seine Reaktion, würde man ihm dort die Einreise verweigern mit der Begründung, die Anschläge von Rostock, Mölln und Solingen hätten ja gezeigt, dass es sich bei den Deutschen um Brandstifter, Totschläger und Mörder handelt?

Uwe Tünnermann
Weißer Weg 20
Lemgo

26./27.06.1993
Detmold@lz-online.de

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