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Bielefelder Tageblatt / Neue Westfälische ,
02.06.1993 :
Private Gesellschaft betreibt Heim für die ZAB / Firmenchef leitete früher das Lager Friedland / Die ZAB braucht 600 Plätze für Flüchtlinge
Bielefeld (Kle). "Eine Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) wie die in Bielefeld braucht etwa 600 Plätze zur kurzfristigen Unterbringung von Flüchtlingen." Diese Auffassung vertritt Randolf Brand, "geschäftsführender Gesellschafter" der Hannoveraner Unternehmensgruppe "Olympic". In Bielefeld gibt es derzeit nur 250 Plätze - dazu einige Ausweich- und Notquartiere.
Brand hat einen guten Ruf, gilt als "Profi" auf dem noch jungen Dienstleistungssektor. Seine Firma betreibt für die Stadt seit einem Monat ein Flüchtlingsheim an der Kreuzstraße mit 130 Betten. Dort werden Asylbewerber für wenige Tage untergebracht. In der Regel von ihrer Registrierung durch die ZAB bis zur Anhörung zu ihren Fluchtgründen durch die Bielefelder Filiale des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
Obwohl Brand seinen ersten Dienstleistungsbetrieb erst 1990 gegründet hat, bringt er langjährige Erfahrung im Umgang mit Flüchtlingen mit: aus seiner Zeit als Beamter. Er war Leiter des Grenzübergangslagers Friedland, dann Referent im Range eines leitenden Direktors (A 16) im Niedersächsischen Bundesratsministerium.
Inzwischen hat er im Auftrag von Städten und Gemeinden - fast ausschließlich in Niedersachsen - 60 Heime der unterschiedlichsten Größenordnungen eingerichtet, teilweise sogar selbst gebaut: für Asylbewerber, Aussiedler, russische Juden, Obdachlose. Insgesamt 450 Mitarbeiter sorgen dafür, dass das Zusammenleben der Menschen auf engstem Raum einigermaßen funktioniert.
Heimleiter und Sozialarbeiter
In Bielefeld sind für ihn der junge Türke Selim Eskimez als Heimleiter und zwei Hausmeister mit Russischkenntnissen tätig. Dazu kommt - allerdings nur während der Anlaufphase - der Sozialarbeiter Franz Breit, der eigentlich für eine andere Olympic-Einrichtung zuständig ist.
Randolf Brand vertritt die Auffassung, auch in das Bielefelder Haus gehörten ständig Sozialarbeiter. Nicht zuletzt, um in Konfliktsituationen sofort das richtige Krisenmanagement betreiben zu können. Das Land Nordrhein-Westfalen als Kostenträger spare jedoch, bewillige und bezahle im Gegensatz zu Niedersachsen keine sozialarbeiterische Betreuung.
Die Stadt Bielefeld hatte zunächst versucht, für das Haus Kreuzstraße einen der örtlichen Wohlfahrtsverbände als Träger zu gewinnen. Die hatten jedoch abgewinkt. Bei so kurzfristiger Unterbringung sei keine soziale Betreuung der Flüchtlinge möglich. Daher fühle man sich nicht zuständig. Dazu gleich der politische Wille bestand, das Haus keinesfalls in städtischer Regie laufen zu lassen,
erhielt "Olympic" den Zuschlag.
Die Gesellschaft übernahm den Pachtvertrag für das Haus und stattete es aus. Um die Materialverluste in Grenzen zu halten, werden Decken, Bettwäsche, Geschirr und Besteck täglich im Austausch gegen den Registrierschein der ZAB ausgegeben und am nächsten Morgen wieder eingesammelt.
Alleinreisende junge Männer werden möglichst in einem Teil des Hauses gemeinsam untergebracht, junge Frauen nahe dem Büro, das grundsätzlich rund um die Uhr besetzt ist. Dazwischen liegen die Zimmer für die Familien. Brand: "Wenn vier Betten drinstehen, die Familie aber nur aus Eltern mit einem Kind bestehen, belegen wir, wenn eben möglich, nur drei Plätze."
Unterkunft und Verpflegung
Für einen Platz bekommt die Firma Olympic - wie Brand berichtete - pro Nacht 16 DM. Dafür werden die Unterkünfte und die sanitären Anlagen saubergehalten, steht täglich frische Wäsche zur Verfügung. Bei voller Verpflegung kommen noch einmal 10 bis 11 DM pro Person drauf.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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