|
Lippische Landes-Zeitung ,
14.04.1993 :
Aktion Fluchtweg kritisiert Duldungs-Verfahren / Eine erste Bleibe für 40 Kriegsflüchtlinge
Bad Salzuflen (Rei). Die Kämpfe und das Leid der Menschen in Bosnien-Herzegowina dauern an. Um die nach Salzuflen strömenden Kriegsflüchtlinge kümmert sich die "Aktion Fluchtweg". 40 Menschen hat die Initiative mittlerweile in provisorischen Bleiben in der Stadt untergebracht.
Die Mitarbeiter renovierten unter anderem zwei zum Abriss vorgesehene Häuser. Dieser ehrenamtliche Einsatz wird in Salzuflen hoch bewertet. Jüngster Beweis: Der CVJM Schötmar (1.500 Mark), der Stadtverband der Grünen (500 Mark) und die Bruno Richter GmbH spendeten größere Summen. "Doch mit Geld allein kommen wir nicht weiter. Was uns fehlt, ist Wohnraum", erzählt Ingo Scheulen von der Initiative. Zur Zeit leben zum Beispiel elf Flüchtlinge in einer Drei-Zimmer-Wohnung. "Die Enge kann man sich kaum vorstellen. Wir mussten jedoch von einem Tag auf den anderen fünf Neuankömmlinge unterbringen."
Eine Frau hatte sich mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zwei Enkelsöhnen (vier und sieben Jahre alt) aus der nordbosnischen Stadt Sanski Most nach Deutschland durchgeschlagen. "Der Mann ist bereits seit zwei Monaten hier, er war aus einem Kriegsgefangenenlager geflohen." Der Vater der beiden Jungen wurde von Serben ermordet, der Mann der anderen Schwiegertochter ist verschollen. Scheulen war mit der Restfamilie bereits beim Ausländeramt in Detmold. Obwohl die fünf ordentliche Visa vom bosnischen Konsulat in Zagreb ausgestellt bekommen hatten, wurde der Antrag auf Duldung abgelehnt. Scheulen: "Die Behörde erkennt die Visa seit dem 15. März nicht mehr an."
Pro Pass 350 Mark
Die Flüchtlinge müssen sich nun persönlich bei der bosnischen Botschaft in Bonn melden, nur dort werden die für die Duldung nötigen Pässe ausgestellt. "Das bedeutet, dass wir mit allen fünf nach Bonn reisen müssen." Für jeden Pass würden zudem stramme 350 Mark Bearbeitungsgebühr verlangt. "Das ist wahrscheinlich eine wichtige Einnahmequelle für die neue Botschaft", vermutet Scheulen. Solange die Duldung von den deutschen Behörden nicht offiziell ausgesprochen sei, erhalten die Flüchtlinge laut Scheulen keine Sozialhilfe: "Ein unerträglicher Zustand." Es sei deprimierend, dass die Bürokratie der Hilfe für Kriegsflüchtlinge solche Steine in den Weg lege.
Spenden für die Initiative können auf das Sonderkonto des Deutschen Roten Kreuzes unter dem Kennwort "Aktion Fluchtweg", Kto-Nr. 6096887, Städtische Sparkasse Salzuflen (BLZ 49451210), überwiesen werden.
Salzuflen@lz-online.de
|