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Lippische Landes-Zeitung , 04.05.2004 :

Gerke schmeißt die Brocken hin / Moschee-Pläne: Geheime Abstimmung führt zu erheblichen Spannungen in der Politik

Horn-Bad Meinberg (upf) . Die Ablehnung der Bauvoranfrage für eine Moschee in Horn zieht ihre Kreise. SPD- und Bündnisgrüne kritisieren heftig die von der CDU beantragte geheime Abstimmung. Der grüne Ratsherr Reinhard Gerke legt sogar mit sofortiger Wirkung seinen Sitz im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen nieder.

Die Vorgeschichte: Der Türkisch-Islamische Kulturverein Horn möchte im ehemaligen Postgebäude in der Kampstraße eine neue Moschee mit Freizeit- und Unterrichtsräumen einrichten, weil der Platz am bisherigen Standort "Hinter der Mauer" nicht ausreicht. Bei einer Bürgerversammlung waren diese Pläne vorgestellt worden - auch waren dabei die Bedenken von Anwohnern in der Kampstraße gehört worden. In der jüngsten Ausschussitzung hatte der Türkisch-Islamische Kulturverein eine überarbeitete Planung vorgelegt - seitens der CDU war geheime Abstimmung beantragt worden, in der die Bauvoranfrage mit knapper Mehrheit abgelehnt worden war.

Grünen-Ratsherr Reinhard Gerke hat jetzt eine persönliche Erklärung zur Debatte in der Sitzung abgegeben. Auch wenn die Entscheidung demokratisch getroffen wurde, sei sie "ein offener Affront gegen unsere türkischen Mitbürger". Die Befürchtungen der Anwohner bezüglich der Vergrößerung des Verkehrsaufkommens hätten ausgeräumt werden können - für den als zu groß empfundenen Umbau seien weit reichende Änderungsvorschläge unterbreitet worden. Eigentlich, so Gerke, hätte keiner mehr den Antrag ablehnen können, "denn die Hauptforderungen der Anlieger waren vom Tisch". Stattdessen habe die CDU-Fraktion auf geheimer Abstimmung bestanden - "sich nicht offen zu seiner Ablehung zu bekennen, bezeichne ich als heuchlerisch und unehrlich" Gerkes Fazit: Die Politik habe von den Muslimen "einen Schritt auf uns zu gefordert, und den sind sie gegangen. Wer jetzt trotzdem ablehnt, überhaupt in das Verfahren zur Bebauungsplanänderung einzusteigen, der stellt den türkischen Mitbürgern dieser Stadt den Stuhl vor die Tür." Der Umgang mit dem Antrag sei genau das nicht, was Politik eigenlich sein müsse: berechenbar und ehrlich, und sie habe allen Bürgern zu dienen. Gerke legt mit sofortiger Wirkung seinen Sitz im Ausschuss nieder. "Ich will und kann diese Entscheidung und die Folgen für unser Miteinander in dieser Stadt nicht mehr verantworten und in Loyalität mittragen."

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Tölle erhebt Vorwürfe gegen die Christdemokraten. Bisher sei die Vorgehensweise so gewesen, dass ein Bebauungsplanverfahren eröffnet worden sei, wenn der Antragsteller sich bereit erklärt habe, die Kosten zu übernehmen - üblicherweise würden im Änderungsverfahren zuerst die Pläne offen gelegt, Stellungnahmen eingeholt, Bürger und Nachbarn angehört und Änderungen diskutiert. "Dieses Recht wird nun der Türkisch-Islamischen Gemeinde verwehrt." Die Ablehnung sei unbegründet geblieben, eine Diskussion habe kaum stattgefunden. Daraus ergeben sich für Tölle Fragen nach dem Demokratieverständnis der Mehrheit im Ausschuss und warum die Diskussion gemieden worden sei. "Warum wird es einer Religionsgemeinschaft verweigert, den Verfahrensweg völlig ergebnisoffen zu beschreiten? Hätten sich die Christdemokraten genauso verhalten, wenn irgendeine andere, deutsche Gruppe diesen Wunsch gehabt hätte? Müssen wir jetzt annehmen, dass Stammtischparolen vor Sachargumente gestellt werden?"

Tölle stellt klar, dass auch er die Umnutzung des Postgebäudes kritisch sehe, und insbesondere die Errichtung einer Moschee "nicht gegen den Widerstand einer überwiegenden Mehrzahl der Anwohner" durchzusetzen sei. "Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass die türkische Gemeinde ebenso fair wie jeder andere behandelt worden wäre."


Kommentar

Moschee-Ablehnung
Platz für Spekulationen

Von Ulrich Pfaff

Es ist schon erstaunlich, wie schnell und ohne Rücksicht auf Verluste Politiker die Maske fallen lassen können. Nach der jüngsten Entscheidung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen bewahrheitete sich, was mancher, der die Vorgänge um die Bauvoranfrage des Türkisch-Islamischen Kulturvereins verfolgte, schon längst vermutet hatte: Die CDU war einfach dagegen. Da waren die so bezeichneten Bedenken wegen der Größe des Gebäudes nur vorgeschobene Argumente, um die wahre Meinung zu verdecken. Will sich die CDU schon im Vorfeld des Kommunalwahlkampfs in der Kampstraße lieb Kind machen? Bestehen Vorbehalte gegenüber Andersgläubigen? Ist man gar ausländerfeindlich? Über die Gründe zu spekulieren gibt es nun Raum und Anlass genug, vor allem wegen der fehlenden Aussprache.

Fest steht, dass sich die CDU-Fraktion mit diesem Verhalten nicht gerade das Prädikat "integrationsfreudig" verdient hat. Dass die Christdemokraten deshalb von den anderen Fraktionen gehörig etwas um die Ohren bekommen, muss nicht verwundern: Man kann nicht einfach ohne Angabe von Gründen und mit einem Federstrich das Anliegen einer ganzen Bevölkerungsgruppe abschmettern. Was Reinhard Gerke sagt, der mit seinem Rückzug die ultimative Konsequenz zieht, ist richtig: Diese Art Politik zu machen ist weder berechenbar noch ehrlich.


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