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Mindener Tageblatt , 30.04.2004 :

Angst vor dem Terror aus der Luft / Der 11. September und die Gedanken über den Super-GAU / Ehemaliger Kommodore fordert stärkeren Objektschutz

Minden/Bückeburg (mt). "Würde ein Flugzeug, von Terroristen entführt, gezielt das Kernkraftwerk Grohnde bei Hameln ansteuern, so hätten Jagdflugzeuge der Bundeswehr keine Chance, den Super- Gau durch einen vorherigen Abschuss zu verhindern."

Diese Botschaft übermittelte Oberst a. D. Klaus Eggert in seinem Vortrag "Terror aus der Luft was tun?" in der Schäfer- Kaserne. Eine Diskussion hat sich in Achum daran nicht entfacht, obgleich zwei Parlamentarier in den Reihen der Zuhörer beim Thema Luftsicherheit und Einsatz der Bundeswehr unterschiedliche Positionen vertreten: Bundestagsabgeordnete Monika Brüning (CDU-Mitglied im Verteidigungsausschuss) und Sebastian Edathy (stellvertretender innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion).

Zur Aufklärung über deutsche Sicherheitspolitik in Zeiten des Terrors hatte Klaus Suchland von der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik eingeladen. Der Gastredner und ehemalige Kommodore eines Jagdgeschwaders, Klaus Eggert, vertritt die Auffassung, dass noch nicht alle Möglichkeiten zur Erhöhung der inneren Sicherheit im Falle eines terroristischen Anschlages ausgeschöpft seien; keine mögliche Tarnung von Kernkraftwerken zur Verlängerung der Reaktionszeit des Piloten, kein ausreichender Objektschutz, kein klares Konzept für die reibungslose Zusammenarbeit aller Stufen von Nato, Nachrichtendienst, Innenministerium, über Polizei, bis zum Soldaten.

Das Beispiel "Renegade" (Abtrünniger, entführtes Flugzeug) liefert die Grundlage, um die Problematik eines bevorstehenden Super-Gaus, den Flug in ein Kernkraftwerk, zu verdeutlichen. "Würden wir’s abschießen, darf Leben gegen Leben geopfert werden? Darf die Bundeswehr eingesetzt werden zur Abwehr von Katastrophen und nicht erst nach ihrem Eintreten; muss dafür das Grundgesetz geändert werden?" Antworten auf diese Fragen stehen aus.

Selbst nach Erfüllung der Prämisse, dass "Alarmrotten", die Jagdflugzeuge der Luftwaffe, direkte Abwehrmanöver fliegen dürfen, erhöbe sich mit dem Befehl "Abschuss" die nächste Hürde.

"Die Bundeswehr ist doch gar nicht mehr da", lautet der Vorwurf der Opposition, den Eggert als berechtigt darstellt: Vier Jagdflugzeuge sind in Deutschland verfügbar zwei in Wittmund, zwei in Neuburg für den Süden. In 55 Minuten von Nord nach Süd trotz hoher Geschwindigkeit könnten die Kampfjets im Ernstfall zu spät bei der Passagiermaschine sein (siehe Grohnde). "Besonders dramatisch wird es, wenn mehrere Angriffe auf einmal geflogen werden müssten."

Daher plädiert Eggert für einen zusätzlichen, zeitlich begrenzten, stationären Objektschutz, wie er in Frankreich für gefährdete Bauwerke und Veranstaltungen gleich nach dem 11. September implementiert worden sei. Hubschrauber auf dem Reichstag in Berlin könnten ein Ergebnis; ein Panzer vor einem Bahnhof ein Extrem sein, das Edathy im Anschluss an den Vortrag entschieden ablehnte.

Doch Eggert vertritt die Meinung: "Den Sportflieger, der in Frankfurt für Aufregung sorgte, mit einer Phantom und nicht mit einem Local Defense Helicopter zu jagen, ist absurd."

In einem Klarheit bringenden Konzept, das die Befehlsgeber mit juristischer, wenn schon nicht mit moralisch-ethischer Sicherheit ausstattet, spielten die Nachrichtendienste eine zentrale Rolle; um Pannen in der Zusammenarbeit zur vermeiden. Hier bestehe noch Handlungsbedarf. Zusätzlich mangele es an einem effektiven Alarmsystem in Deutschland; alles in allem müsse Rechtsklarheit geschaffen werden.

Daran arbeitet der Bundestag, der Entwurf des Luftsicherheitsgesetzes ging jetzt in die zweite Lesung.


mt@mt-online.de

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