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Der Patriot - Lippstädter Zeitung , 13.03.2008 :

"Überlebt, um zu erzählen" / KZ-Häftling Adolf Burger, dessen Lebensgeschichte im Oscar-gekrönten Streifen "Die Fälscher" verfilmt wurde, war gestern zu Gast im Gymnasium

Geseke. Filmfestspiele in Tokio, Buchvorstellung in London, Oscar-Verleihung in Los Angeles - Adolf Burger ist in diesen Tagen ein viel gefragter Mann.

Als Geldfälscher für die Nazis überlebte er das Konzentrationslager. Aufgeschrieben hat der 90-jährige Slowake seine unfassbare Lebensgeschichte im Buch "Des Teufels Werkstatt". Das Buch bildete die Grundlage für den Oscar-gekrönten Film "Die Fälscher". Und trotz des anhaltenden Medienrummels nimmt Adolf Burger ununterbrochen seine wichtigste Aufgabe wahr: das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte vor dem Vergessen zu bewahren. "Ich soll wohl überlebt haben, um darüber zu erzählen", sagt der gelernte Buchdrucker. Seit den achtziger Jahren reist er deshalb kreuz und quer durch Deutschland und Europa, um an Schulen zu erzählen.

Viel zu erzählen hatte er als einer der letzten lebenden Zeitzeugen gestern auch im Gymnasium Antonianum. Mehr als 200 Schüler aus den Jahrgangsstufen 10 und 13 hingen fast drei Stunden lang wie gebannt an seinen Lippen. "Diese Schulstunde werdet ihr wohl ein Leben lang nicht vergessen", betonte der kommissarische Schulleiter Peter Brodkorb zu Beginn. Und er sollte recht behalten. Sogar in das größte Geheimnis Englands weihte Burger seine Zuhörer ein. 130 Millionen englische Pfund hat der 90-Jährige in seiner Zeit im KZ Sachsenhausen gefälscht, weil er den geheimsten aller Codes im Wasserzeichen der englischen Banknoten kannte.

Eingebunden war der Jude schließlich in die größte Geldfälschungsaktion der Geschichte. Unter dem Deckmantel "Unternehmen Bernhard" wurden die Banknoten der wichtigsten Kriegsgegner selber hergestellt. Aus verschiedenen Lagern wurden Häftlinge mit Fälscher-Knowhow nach Sachsenhausen gebracht, um dort den Plan der Nazis umzusetzen. Sie alle wurden zu Mitgliedern des streng geheimen Fälscherkommandos. Adolf Burger hatte die Wahl: den Feind unterstützen oder sabotieren und sterben. Als Gefangener erster Klasse bekam er in der Werkstatt ausreichend Essen und ein sauberes Bett. "Wir haben sogar mit dem Hauptwehrführer Tischtennis gespielt - in einem KZ. Ist das etwa normal?", wusste Adolf Burger um seine Privilegien. Dennoch entwickelte er sich immer mehr zum Gewissen der Fälscher und beschwor die Wichtigkeit einer Sabotage.

Sein Leben behielt er trotzdem - um zu erzählen. Etwa über die schrecklichen Seiten des KZ-Lebens. In einem Viehwaggon wurde er im August 1942 zusammen mit seiner Frau Gisela ins KZ Ausschwitz verschleppt. Wenige Tage später wurde sein Frau im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. "Nicht erschossen, sondern vergast", betonte Burger. "Von den Ermordeten blieb nur ein Haufen Asche. So verschwanden in Birkenau 1,5 Millionen Juden. Das dürft ihr nie vergessen", appellierte er an die Schüler. Und eine Warnung schob er im gleichen Atemzug hinterher: "Ihr seid eine neue Generation. Ihr braucht keine Schulgefühle zu haben. Aber wenn ihr zu Neonazis werdet, werdet ihr auch irgendwann zu Mördern."

Burger selbst entkam den Mördern, blieb zunächst im Arbeitslager Auschwitz. In einem Arbeitskommando durfte er die Koffer der Neuankömmlinge aussortieren. "So hatte ich immer zu essen", berichtete er. Aber auch Burger kam nach Birkenau, schlief mit 800 anderen Häftlingen in einem Pferdestall, musste mit Typhus und 42 Grad Fieber zur Arbeit - bis die SS darauf aufmerksam wurde, dass sie den gelernten Buchdrucker sinnvoller einsetzen konnte: als Geldfälscher. 1945 wurde er schließlich von den Amerikanern befreit. Seine Leidenszeit im KZ wird er nie vergessen, genau wie seine Häftlingsnummer "64401". Die ist noch heute auf seinem linken Unterarm zu lesen.

"Des Teufels Werkstatt"

Jahrelang hat Adolf Burger nach dem Kriegsende in den Archiven gewühlt. Aus den vorgefundenen Dokumenten und Fotos sowie seinen Erinnerungen ist das Buch "Des Teufels Werkstatt" (Verlag: Sandmann, München, ISBN: 978-3938045237) entstanden. Hierin schildert Burger, wie er als Häftling mehrere Konzentrationslager überlebte und schließlich in der Fälscherwerkstatt unter unglaublichen und mitunter skurrilen Bedingungen zum Profifälscher wurde. Nach Burgers Buchvorlage drehte der deutsch-österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky den Film "Die Fälscher", der jetzt in der Kategorie "Bester ausländischer Film" den Oscar gewann.


Zur Person

Adolf Burger wurde am 12. August 1917 in Großlomnitz in der Slowakei geboren. Der gelernte Buchdrucker, Autor und Journalist wurde 1942 aus "politischen Gründen" verhaftet und ins KZ Auschwitz verschleppt. Im KZ Sachsenhausen arbeitete er ab 1944 in der Geldfälscher-Werkstatt des KZ Sachsenhausen. Nach der Befreiung durch die Amerikaner kehrte er 1945 in die damalige Tschechoslowakei zurück. Seit Anfang der achtziger Jahre reist Burger von Schule zu Schule, um über seine Lebensgeschichte zu berichten.

Bildunterschrift: Unter Druck: Im KZ Sachsenhausen entwickelte sich Adolf Burger (gespielt von August Diehl) zum Gewissen des geheimen Fälscherkommandos und beschwor die Wichtigkeit einer Sabotage.

Bildunterschrift: Abgetaucht in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte sind gestern die Schüler des Antonianums.

Bildunterschrift: Sein Buch und "seinen" Oscar hatte Adolf Burger auch gestern im Gymnasium immer griffbereit.


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