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Vlothoer Anzeiger , 23.02.2008 :

Der "Vorletzte der alten Männer" geht in Ruhestand / Gerhart Schöll verlässt den Jugendhof nach 39 Jahren engagierter Tätigkeit / In vielen Bereichen will er aber weiter aktiv sein / Synagogen-Stein

Vlotho (BoDo). Gerhart Schöll ist der "Vorletzte der alten Männer", jenem Team engagierter pädagogischer Mitarbeiter, das dem Jugendhof Vlotho seit dem Ende der 60er- und in den 70er-Jahren als Bildungsstätte zu seinem bundesweit guten Ruf verhalf.

Von Bodo Kohlmeyer

Am letzten Tag im Februar ist für ihn nach "3 x 13 Jahren politischer Bildung" offiziell Schluss, so Schöll. Seine ehemaligen Mitstreiter Ansgar Rank, Jürgen Engeln, Gerd Paulmann und Rüdiger Beinroth sind bereits im Ruhestand. Peter Ausländer wird die Fahne dieser "alten Recken" der noch weiterhin für eineinhalb Jahre hoch halten.

Sein erstes Seminar eröffnete Gerhart Schöll am Samstag, 1. März 1969, als "Politisches Wochenende" in Kooperation mit dem Kreisjugendamt Herford und dem Arbeitsausschuss für politische Jugendbildung Bielefeld. Gerhart Schöll ist Vorsitzender des AKE e.V. als sozialem Träger der Jugendhilfe. 1969 trat er der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bei und ist seit 1988 mit Unterbrechungen Sprecher der drei Vorsitzenden (neben ihm Ulrike Deierling und Gerhild Meier) der Pädagogengewerkschaft in Vlotho.

Einsatz für die in Vlotho lebenden Ausländer

Gerhart Schöll wurde Mitte der 70er Vorsitzender des Vereins Autonomes Jugendzentrum, der letztlich 1978 für die Einrichtung des Jugendzentrums in der ehemaligen Schöningschen Fabrik, der heutigen Kulturfabrik, betrieb. "Neben diesem Engagement für ein Jugendzentrum setzte ich mich auch für ein Freizeitzentrum für die in Vlotho lebenden Ausländer ein, das später in die Verantwortung des Türkischen Arbeitnehmervereins ging", berichtet Schöll. "Etwas stolz bin ich darauf, 1978 den Vorschlag gemacht zu haben, bis zum 40. Jahrestag der Pogromnacht von 1938, an der Stelle, wo sich früher die Synagoge befand, einen Gedenkstein aufzustellen," berichtet Gerhart Schöll. Diese Idee wurde allerdings erst zum 50. Jahrestag aufgegriffen und realisiert, als sich auch die Vlothoer Pastoren dafür ausgesprochen hatten.

Schölls schwierige Arbeit im Sudan

Zweimal nahm Gerhart Schöll eine Auszeit von der Arbeit in Vlotho, am Jugendhof und in den vielen Gremien und Verbänden. Von 1982 bis 1985 und von 1989 bis 1992 war er im Jugendhof beurlaubt für eine entwicklungspolitische Tätigkeit der Friedrich-Ebert-Stiftung. Seinen Wohnsitz musste er zeitweilig nach Kairo und Khartoum verlegen. Seine erste Tätigkeit für die Friedrich-Ebert-Stiftung war ein entwicklungspolitisch ausgerichtetes Mittelmeerprojekt der sozialpolitischen Forschung mit Sitz in Kairo. Beim zweiten war er Leiter des Sudan-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartoum, der Hauptstadt des Sudan und Partner des sudanesisches Arbeitergewerkschaftsbundes, der fünf Wochen nach Schölls Eintreffen im Sudan durch den Putsch der Leute, die dort bis heute an der Macht sind, zunächst verboten, aber nach einem halben Jahr mit Auflagen unter Kontrolle wieder zugelassen wurde. "Diese Arbeit war zum Teil unter den politischen Bedingungen äußerst schwierig, aber gerade deshalb auch besonders wichtig. Es gab viel Kooperation mit dem DGB und im Jahr nach meiner Rückkehr habe ich noch von Vlotho aus eine Gruppe sudanesischer Gewerkschafterinnen betreut", berichtet Schöll.

Inzwischen ist er Großvater eines Enkelkinds, Vater von zwei Töchtern und drei Söhnen und könnte jetzt seine neu gewonnene freie Zeit der Familie, unter anderem dem 93 Jahre alten und immer noch rüstigen Vater widmen.

Kampf gegen das Collegium Humanum

Aber so ganz kann er auf seine Arbeit nicht verzichten. Er wird als freier Seminarleiter weiter für den Jugendhof und das AKE arbeiten. Sein Engagement in GEW und SPD und den Kampf gegen das Collegium Humanum wird er aufrecht erhalten und "seine Themen" weiterverfolgen. Das sind die Schwerpunkte in der Arbeit mit Jugendlichen, im Bereich Migration, interkultureller Kooperation, auch von den intensiven Auslandserfahrungen profitierend im Bereich Islam/Muslime. "Da will ich auch in den nächsten Jahren noch ein wenig aktiv bleiben", erklärt der nach 39 Jahren beim Jugendhof ausscheidende stellvertretende Leiter mit der ihm eigenen Ruhe und Besonnenheit.

Bildunterschrift: Blickt gelassen seinem Abschied vom Jugendhof entgegen: Gerhart Schöll.

23./24.02.2008
redaktion@vlothoer-anzeiger.de

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